Solidarität contra Staatsräson
Repression gegen Palästinasolidarität in Berlin
Dieser Beitrag wird von einer Mehrheit der Ortsgruppe Berlin unterstützt und stellt den Versuch einer Analyse der verstärkten Repression gegen die palästinasolidarische Bewegung in Deutschland dar. Als strömungsübergreifende Organisation haben wir intern teilweise stark widersprüchliche Positionen, sehen diese Analyse aber nicht ausreichend dargestellt.
Das Jahr 2023 brachte für die Berliner palästinasolidarische Bewegung massive Repression und endete passend dazu – mit einem Demoverbot. Die Demonstration mit dem Titel „No celebration in genocide – Kein Feiern bei Genozid!“ durch den Bezirk Neukölln wurde untersagt. Seit spätestens 2022 verstärkt sich die vielschichtige Ausgrenzung und Unterdrückung palästinensischer und palästinasolidarischer Stimmen. Diese politische Repression ist Folge der zur Staatsräson erklärten bedingungslosen Solidarität mit Israel: Kritik am Agieren des israelischen Staates wird nicht erst seit dem 7. Oktober 2023 auf allen Ebenen Steine in den Weg gelegt.
Die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson
„Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel 2008 in ihrer bekannten Rede vor der Knesset. Sie baute dabei auf der schon unter Konrad Adenauer begründeten Tradition auf, Israel als „Bollwerk des Westens“ zu unterstützen.
2017 beschloss die Bundesregierung die umstrittene Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remeberance Alliance (IHRA) „politisch zu indossieren“. Die Definition soll laut ihren Autor:innen dem Monitoring von Antisemitismus durch europäische Stellen dienen. Ihre politische Instrumentalisierung wird zum Beispiel in einem viel beachteten Beitrag auf dem „Verfassungsblog“ kritisiert: Sie sei nicht für einen rechtsverbindlichen Gebrauch geeignet. Außerdem könne sie herangezogen werden, um jede Kritik am Handeln Israels pauschal als antisemitisch zu werten – was die Praxiserfahrung bestätigt. Unter anderem deshalb wird von zahlreichen Antisemitismusforscher:innen die enger gefasste Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus als Alternative vertreten. Einen wichtigen Meilenstein zur politischen Umsetzung der IHRA-Definition stellte die Resolution des Bundestages vom 17.05.2019 gegen die Boycott, Divestment, Sanctions (BDS)-Bewegung dar. Mit Bezug auf die Resolution mit dem Titel „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ versagen seitdem regelmäßig Kommunen die Nutzung ihrer Räume für Veranstaltungen, in denen die israelische Besatzungspolitik kritisiert werden soll.
(mehr …)