
Wir teilen hier eine Pressemitteilung von der Recherche Gruppe topa vom 28.04.25. Diesen Recherchen sind sehr wichtig, denn sie geben unseren Bewegungen ein Instrument mit an die Hand, um das dominante Narrativ, der bedauerlichen Einzelfälle, in Frage zu stellen und zu widerlegen. Neben der topa, möchten wir auch auf die CILIP, die Antirassistische Initiative und Death in Custody hinweisen, welche alle mit unterschiedlichen Schwerpunkten tödliche, staatliche Gewalt dokumentieren und veröffentlichen.
Mindestens 44 Tote bei Polizeieinsätzen im Jahr 2024!
Die Initiative Tode bei Polizeieinsätzen aufklären! (kurz: topa) zeigt in einer Recherche 44 Fälle auf, bei denen es im Jahr 2024 in Deutschland zu Todesfällen in Zusammenhang mit Polizeieinsätzen kam. Viele Fragen um den jeweiligen Tathergang der Tode während Polizeieinsätzen bleiben unbeantwortet.
Auf ihrer Webseite informiert die Initiative im dritten Jahr infolge über die Fälle des vergangenen Jahres. „Die Gesamtzahl der Tode bei Polizeieinsätzen erschreckt uns. Wir dokumentieren mit unserer Liste sorgfältiger als die Polizei selbst. Es geht um 44 Menschen mit unterschiedlichen Lebenslagen, Zielen und Geschichten. Alle diese Geschichten wurden in oder nach einem Zusammentreffen mit der Polizei beendet“ sagt Laura Becker, Sprecherin der Initiative topa. Seit 2022 recherchiert topa über Tode von Menschen, die im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen geschehen – denn eine Statistik von behördlicher Seite gibt es nicht.
Die zusammengetragenen Informationen stammen aus Medienbeiträgen, Pressemeldungen der Polizei, Behördenanfragen und Nachforschungen weiterer Initiativen. In mindestens 11 Bundesländern kam es im vergangenen Jahr demnach zu Todesfällen bei Polizeieinsätzen. Die Initiative topa bemängelt eine grundlegende Intransparenz bei dem sensiblen Thema. Laura Becker dazu: „Die verfügbaren Informationen stammten in den meisten Fällen ausschließlich von der Polizei selbst. Pressemeldungen übernehmen oft unkritisch die Formulierungen der Polizei und viele Medien haben oftmals nur die Polizei als Quelle. In fünf Fällen wurde die Öffentlichkeit bis zur aktuellen Recherche nicht über die Todesfälle informiert. Wir haben von diesen fünf Fällen nur durch Behördenanfragen erfahren.“
Die Deutsche Presse Agentur (dpa) brachte Anfang dieses Jahres ins Gespräch, dass im Jahr 2024 mehr tödliche Schüsse abgegeben wurden, als seit dem Jahr 1997. Bundesweit starben 22 Menschen bei Schusswaffengebrauch, wie es die unabhängige Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP dokumentiert. „So wichtig es ist, dass diese Zahl diskutiert wird, darf nicht vergessen werden, dass weitere 22 Menschen ebenfalls infolge eines Polizeieinsatzes starben – nicht nur an Schusswaffengebrauch“, so Becker.
Die Initiative topa geht davon aus, dass sich in vielen Fällen neue Informationen über das Einsatzgeschehen enthüllen würden, wenn jeder der Fälle konsequente und unabhängige Aufklärung erfahren hätte. „Die Polizei zeigt kein Interesse daran, die Todesfälle während ihrer Einsätze aufzuklären – das geschieht nur nach Druck von außen. Und dann zeigt sich immer wieder: Wir können den Erklärungen der Polizei nicht trauen“, so Becker: „Manchmal werden nach Todesfällen bei Polizeieinsätzen Angehörige, Freund*innen und weitere Engagierte in Initiativen für Aufklärung aktiv – im vergangenen Jahr unter anderem in Mühlheim an der Ruhr im Gedenken an Ibrahima Barry. Ganz aktuell auch bei dem Tod des 21-Jährigen Lorenz A. in Oldenburg. Oft treten dann neue, widersprüchliche oder belastende Details über den Ablauf der Ereignisse zutage. Wir fordern eine konsequente Aufarbeitung aller Fälle.“
Becker führt weiter aus: „Die Polizei deutet die Tode in ihren Berichten oft so, dass es unausweichlich gewesen zu sein scheint, den Tod von Menschen in Kauf zu nehmen. Die getöteten Menschen werden zudem häufig als derartig gefährlich dargestellt, dass die Polizei keine andere Wahl gehabt hätte. Mit der Formulierung, dass eine Person sich in einer “psychischen Ausnahmesituation” befände wird der Gewaltzugriff oft gerechtfertigt. Sozialarbeiterinnen oder Psychologinnen werden kaum hinzugerufen. Durch diese Beschreibungen werden Personen bewusst als abweichend und bedrohlich markiert.“ Aus welchen Gründen wenig berichtet wird, kann die Initiative topa nur vermuten. Ein Todesfall, zu dem es kaum Ermittlungen gibt, sei vielleicht weniger brisant, als viele Details zu nennen.
„Angesichts unterschiedlich umgesetzter Informationsfreiheitsgesetze in den Ländern ist anzunehmen, dass es weitere Fälle gibt, die auch heute noch unbekannt sind. Es gibt offenbar kein geregeltes Vorgehen, wie die Öffentlichkeit informiert werden muss, wenn jemand stirbt. Und selbst wenn über ein Geschehen informiert wird, hat sich gezeigt, dass die Aussagen in polizeilichen Presseportalen häufig Auslassungen und Lücken haben und eine Erzählung eröffnen, die die Polizei in Unschuld wäscht“, sagt Becker.
Die Rechercheinitiative fordert Aufklärung für alle Todesfälle bei Polizeieinsätzen. Gleichzeitig zeigt sie sich der Begrenztheit ihrer Recherche bewusst und fordert dazu auf, mit Hinweisen, Anmerkungen oder Kritik an der Darstellung zu einzelnen Fällen, Kontakt aufzunehmen.
Nutzen Sie gerne unsere Rechercheergebnisse für Ihre Arbeit und sprechen Sie uns bei weiteren Fragen gerne an:
Laura Becker (Pressesprecherin von Tode bei Polizeieinsätzen aufklären!)
Webseite: https://topa.blackblogs.org
Mail: initiative_topa@riseup.net
Instagram: @initiative_topa