Nach dem Überfall auf das heute-show-Team am 1. Mai teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass einige der nach dem Überfall verhafteten Personen der linken Szene angehören. Zur aktuellen Presseberichterstattung und den in der linken Bewegung geführten Diskussionen erklärt die Rote Hilfe e. V. Ortsgruppe Berlin:
Als linke Schutz- und Solidaritätsorganisation verteidigen wir die Unschuldsvermutung. Verlautbarungen von Polizei und Justiz misstrauen wir grundsätzlich und wir erinnern daran, dass der Ermittlungsrichter selbst einen dringenden Tatverdacht gegen einige der Festgenommenen verneint und beantragte Haftbefehle nicht erlassen hat. Aus unserer praktischen Arbeit wissen wir, dass linke Aktivist*innen in großer Zahl aufgrund falscher Beschuldigungen in fingierten Verfahren verurteilt werden. Es gehört für uns zum Einmaleins von linkem Aktivismus, dass man keineswegs an einer Aktion beteiligt gewesen sein muss, um dafür vom Repressionsapparat angeklagt zu werden.
Das hindert die bürgerliche Presse, namentlich die „Welt am Sonntag“, nicht daran Stimmung zu machen. Die Angriffe von „Spaziergängern“ „gegen die Islamisierung des Abendlandes“ und „gegen die Corona-Diktatur“ auf Journalistinnen häufen sich und werden massenhaft in den Kommentarspalten rechter Medien verharmlost, gerechtfertigt oder gar gefeiert. Da kam den symmetriebedürftigen Anhängerinnen der Hufeisentheorie die Meldung, dass die Verdächtigen vom 1. Mai der linken Szene angehören, gerade recht. Von dieser Seite ist nichts besseres zu erwarten. Wir raten allen Genoss*innen dringend davon ab, Interviewanfragen der Presse zu beantworten.
Mit Bestürzung beobachten wir aber auch, dass sich Genossinnen in den sozialen Medien und in öffentlichen Erklärungen die Darstellung der Ereignisse durch die Repressionsbehörden und bürgerliche Presse zu eigen machen und sich vor diesem Hintergrund öffentlich an wilden Spekulationen und Vorverurteilung der Festgenommenen beteiligen oder der naiven Vorstellung verfallen, sie könnten die Linke aus dem Fokus der öffentlichen Kritik rücken, indem sie beweisen, dass es sich bei den Täterinnen um Rechte handelt. Wir verurteilen dieses Verhalten auf das schärfste. Wir rufen alle Genoss*innen auf, nicht über beteiligte Personen zu spekulieren und umlaufenden Gerüchten entschieden entgegen zu treten.
Als Antirepressionsorganisation vertreten wir die Grundsätze von Aussageverweigerung und Nichtzusammenarbeit mit den Behörden.
Der 1. Mai in Berlin war dieses Jahr wieder einmal nicht nur ein Tag des Kampfes, sondern auch ein Fest der Polizeigewalt. Wir sind solidarisch mit allen Genossinnen, die verhaftet wurden. Wenn wir in diesem Sinne Partei ergreifen, heißt das nicht, dass wir jede angeklagte Handlung gutheißen. Die Freiheit der Presse ist ein hohes Gut und der Grundsatz der Aussageverweigerung soll Genossinnen nicht ihrer politischen Verantwortung für gemachte Fehler entheben und jegliche Kritik tabuisieren. Im Gegenteil ist die Übernahme von politischer Verantwortung eine unverzichtbare Voraussetzung, um Unterstützung der Bewegung und unserer Organisation zu erhalten. Ebenso sind ständige Kritik und Selbstkritik nötig, um nicht in Stagnation zu verfallen. Diese Kritik muss aber immer solidarischen Charakter tragen und darf nicht zur Denunziation ausufern. Die staatlichen Gerichte und die bürgerliche Presse sind kein Forum, um mit emanzipatorischer Perspektive linke politische Praxis zu kritisieren. Vielmehr wird dort daran gearbeitet, unseren gemeinsamen Kampf um die Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung zum kriminellen Projekt zu stempeln.
Deswegen halten Anna und Arthur das Maul!
Wir möchten bei dieser Gelegenheit auch auf den Indymedia-Beitrag „Zum Angriff aufs ZDF“ hinweisen (auch bei antifa-berlin.info veröffentlicht).