Redebeitrag von Kay Schedel
[english below]
Tach jesacht liebe Jenossen,
an erster Stelle, danke für die Einladung, danke an meine geliebte Freundin und 2 Jährigen Sohn, dass ig heute hier sein darf. Ig liebe euch und schöne Grüße nach Hamburg.
Wir alle wissen, warum wir hier sind.
Wir sind hier, um dem Mord an Ferhat Mayouf zu gedenken.
Ig, wenn ig an diese fragwürdige Zeit mich zurück erinnere, käme es mir vor als wäre es erst gestern jewesen. Ist es aber leider nicht.
Es sind mittlerweile 5 Jahre vergangen, 5 Jahre, indem die Justiz nicht jegen ihre eigenen Justizknechte ermittelt. Warum nur? Wir alle wissen wieso! Weil Sie dem System und der Politik angehören.
Zur bekannten Zeit, stand ig am Fenster und hatte ene gerocht.
Dann haben andere Gefangene vom Block zu Block jeredet, es sei Brandgeruch wahrgenommen worden.
Es ging auf einmal alles Schlag uff Schlag, es wurde gesagt, da und dort brennt es.
Da bin ig an die Tür gegangen und draußen war Hektik auf dem Flur zu hören.
Viele Schlusen, eiligen Schrittes, in Richtung des Geschehens, also wo Ferhat Mayouf in seinem Haftraum war.
Ig hab dann an der Tür gelauscht, mehrere Hilferufe und Wummern an seiner Tür wahrgenommen.
Ca. 20 Minuten später habe ig gehört, wie die Feuerwehr den Raum öffnete und löschte in dem Ferhat Mayouf war. Die Haftraumtür wurde zu diesem Zeitpunkt erstmals geöffnet. Über 20 Minuten zu spät!
Etwas später habe ig sämtliche medizinische Geräte gehört, darunter einen Defibrillator und EKG. Ig kenne diese Geräuche, weil ig ausgebildeter Rettungssanitäter und Feuerwehrmann bin.
Im laufe der Zeit war es dann mux Mäuschen still.
Am nächsten Tag, auf dem Freistundenhof war es das Gesprächsthema bei uns. Viele Gefangene kamen zu mir und haben mir erzählt, was sie gehört bzw. gesehen haben. Einige hatten genau gegenüber von der Zelle ihren Haftraum gehabt. In dessen Tür befanden sich mehrere Löcher und man konnte diese Schlusen beratend und nichtstuhend beobachten.
Die Justiz vertritt bis zum heutigen Tage die Auffassung, die Tür von Ferhats Haftraum sei zu Heiß gewesen, durch die Hitze verbeulet und verzogen gewesen… darum hätte man diese nicht öffnen können. Hinzu kam die Aussage, die Schlusen hätten ein Verbot bei solch einer vorgefunden Situation den Haftraum zu öffnen.
Bei Begutachtung dieser Haftraumtür sei folgendes zu sagen. Sie war weder verbeult noch verzogen gewesen, lediglich verrußt, es gab auch keine Brandzehrungen am Lack, demzufolge kann das Feuer im Haftraum nicht so heiß gewesen sein um diese zu öffnen. Es war, um es vorsichtig auszudrücken, ein Schwelbrand mit niedriger Temperaturintensität.
Kurz um: die Justiz und ihre mitunter rassistischen Handlanger wurden und werden nicht zur Rechenschaft gezogen, im Gegenteil. Es wurden sämtliche Ermittlungen, trotz Zeugenaussagen eingestellt. Für mich hat all dies einen faden Beigeschmack von:
Einer Krähe hackt der anderen keen Oge aus.
Als die Justiz sich von dem Versagen freisprechen wollte, war der Punkt für mich erreicht, wo ig mir dachte:
Das muss an die Öffentlichkeit.
Über sämtliche Kommunikationswege an Vereine und Organisationen habe ich Briefe, Berichte, Telefonate veröffentlicht und geführt. Darunter: Rote Hilfe, Criminals for Freedom, Justiz Watch, Death in Custody und der Knastzeitung Der Lichtblick aus der JVA Berlin-Tegel, Grüße gehen raus.
Es dauerte nicht lang, bis Frau Stein ( Knastleitung ) und Frau Wedra ( Leitung Teilanstalt 1 ) davon mitbekamen und das sinnlose Machtgebaren seitens der Justiz wurde eröffnet. Hatte son leichten Hauch von dem Versuch mir einen Maulkorb verpassen zu wollen trotz meiner Meinungsfreiheit….
Ich musste viele Repressionen einstecken, darunter wurde bei minus zehn Grad die Heizung abgestellt, die Post kam nicht an, die Post wurde geöffnet, ich musste eine rechtswidrige Leibesvisitation über mich ergehen lassen. Das Land Berlin wurde von mir zu 1000 Euro Schmerzensgeld verurteilt, ich gewann diesen Kampf mit Hilfe der ständigen Rechtssprechung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonventionen.
Abschließend sei zu erwähnen, die Justiz schmettert diese Situation um Ferhats seinen Tot, als Suizid ab.
Ich sage: Es gibt kein Suizid im Knast! In einer gewollten und staatlich geförderten totalen Institution in Verbindung mit einer Desozialisierung kann es keinen freien Willen zur Beendigung des eigenen Lebens geben. Wenn Menschen im Gewahrsam sterben, sind das keine Einzelfälle, sondern Folgen einer perfiden und menschenunwürdigen Struktur.
Von der Justiz und dessen staatlichen Akteuren, die immer mit neuen Skandalen und rechten Verbindungen glänzen, können wir keine Gerechtigkeit und Aufklärung erwarten.
Todesfälle in deutschen Knästen sind die traurige Konsequenz von strukturellem Rassismus, Repressionen, Willkür und Machtgebaren in der deutschen Justiz.
Es wird der Moment kommen, in dem man sie alle erdet und auf den harten Boden der Realität aufschlagen lässt.
Ihre undurchsichtigen Machenschaften sollten endlich der Vergangenheit angehören.
Deswegen sollten wir uns weder auf diese Konstrukte, noch auf ein Gespräch mit ihnen einlassen. Das, was die Justiz in Gerichtssälen und totalen Institutionen tagtäglich tut, ernst zu nehmen, bedeutet, sie als Feinde aller freiheitsliebenden Menschen zu begreifen, ihre Gerichte, Knäste und ihre Ordnung nicht anzuerkennen, weder mit ihnen zu reden, noch ihnen jemals die Hand zu reichen.
Das Justizsystem deckt Entscheidungen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch sind. Richter, Staatsanwälte, Schlusen, andere Justizhandlanger sowie auch Politiker brauchen auf deutschem Boden keine harte Bestrafung zu fürchten. Kaum einer dieser Täter wird je vor Gericht gebracht, dank einer schön kriminellen Justizbande, die sich gegenseitig deckt.
Wir und die Gefangenen, lassen uns nicht biegen und brechen. Wir werden weiter gemeinsam für unsere Rechte, Menschenwürde und die Aufklärung, Seite an Seite lautstark und rebellisch mit euch kämpfen, damit kein weiterer Mensch in den deutschen Knästen sterben muss.
Für das Leben, für die Freiheit
No Justice No Peace
Kay Schedel
(Seite 1): Zusammenfassung (de/en)
(Seite 2): Benjamin Düsberg (de/en)
(Seite 3): AZADÎ (de/en)
(Seite 4): Nanuk (de/en)
(Seite 5): Cleo (en/de)
(Seite 6): Thomas Meyer-Falk (de/en)
(Seite 7): Kay Schedel (de/en)
(Seite 8): Andreas Krebs (de/en)
(Seite 9): Solidaritätskreis Justice4Mouhamed (Dortmund) (de/en)
Speech from Kay Shedel
Hello dear comrades,
First of all, thank you for the invitation, thank you to my beloved girlfriend and 2-year-old son for allowing me to be here today. I love you and send my best regards to Hamburg.
We all know why we are here.
We are here to commemorate the murder of Ferhat Mayouf.
When I think back to that questionable time, it feels like it was only yesterday. But unfortunately, it wasn’t.
Five years have passed, five years in which the justice system has failed to investigate its own servants. Why? We all know why! Because they belong to the system and to politics.
At the usual time, I was standing at the window and smoked a cigarett.
Then other prisoners started talking from block to block, saying that they could smell smoke.
Suddenly, everything happened very quickly, and people were saying that there were fires here and there.
I went to the door and could hear hectic in the corridor outside.
Many footsteps, hurrying towards the scene, where Ferhat Mayouf was in his cell.
I listened at the door and heard several cries for help and banging on his door.
About 20 minutes later, I heard the fire brigade open the room and extinguish the fire where Ferhat Mayouf was. The cell door was opened for the first time at that point. Over 20 minutes too late!
A little later, I heard all kinds of medical equipment, including a defibrillator and ECG. I know these sounds because I am a trained paramedic and firefighter.
Over time, it became completely silent.
The next day, during our free time in the yard, it was the topic of conversation among us. Many prisoners came up to me and told me what they had heard or seen. Some had had their cells directly opposite the cell in question. There were several holes in the door, and you could see the guards talking and doing nothing.
To this day, the judiciary still maintains that the door to Ferhat’s cell was too hot, dented and warped by the heat… and therefore could not be opened. In addition, it was stated that the guards were prohibited from opening the cell door in such a situation.
Upon examination of this cell door, the following can be said. It was neither dented nor warped, only sooty, and there was no fire damage to the paintwork, so the fire in the cell cannot have been hot enough to open it. To put it mildly, it was a smouldering fire with low temperature intensity.
In short: the judiciary and its sometimes racist henchmen were not and are not being held accountable, on the contrary. All investigations were dropped, despite witness statements. For me, all this has a bad taste of:
One crow doesn’t peck out the other’s eye.
When the judiciary wanted to acquit itself of its failure, I reached the point where I thought:
This must be made public.
I published letters, reports and telephone calls via all communication channels to associations and organisations. These included: Rote Hilfe, Criminals for Freedom, Justiz Watch, Death in Custody and the prison newspaper Der Lichtblick from the Berlin-Tegel prison. Greetings to all.
It didn’t take long before Ms Stein (prison management) and Ms Wedra (head of sub-institution 1) found out about it and the senseless abuse of power on the part of the judiciary was revealed. It had a slight hint of an attempt to muzzle me despite my freedom of expression….
I had to endure a lot of repression, including having the heating turned off at minus ten degrees, my mail not arriving, my mail being opened, and having to endure an illegal body search. The state of Berlin was ordered to pay me 1,000 euros in compensation for pain and suffering, and I won this battle with the help of established case law in accordance with the European Convention on Human Rights.
Finally, it should be mentioned that the judiciary dismisses Ferhat’s death as suicide.
I say: there is no such thing as suicide in prison! In a deliberate and state-sponsored total institution combined with desocialisation, there can be no free will to end one’s own life. When people die in custody, these are not isolated cases, but the consequences of a perfidious and inhumane structure.
We cannot expect justice and clarification from the judiciary and its state actors, who are constantly making headlines with new scandals and right-wing connections.
Deaths in German prisons are the sad consequence of structural racism, repression, arbitrariness and abuse of power in the German justice system.
The moment will come when they will all be brought down to earth and hit the hard ground of reality.
Their opaque machinations should finally be a thing of the past.
That is why we should not engage in these constructs or in dialogue with them. Taking seriously what the judiciary does every day in courtrooms and total institutions means understanding them as enemies of all freedom-loving people, not recognising their courts, prisons and their order, not talking to them, and never shaking their hands.
The judicial system covers up decisions that are almost certainly wrong. Judges, prosecutors, police officers, other judicial henchmen and politicians need not fear harsh punishment on German soil. Hardly any of these perpetrators are ever brought to justice, thanks to a criminal judicial gang that covers for each other.
We and the prisoners will not be broken. We will continue to fight together for our rights, human dignity and enlightenment, side by side with you, loudly and rebelliously, so that no more people have to die in German prisons.
For life, for freedom.
No Justice No Peace.
Kay Schedel
(Page 1): Summary (de/en)
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(Page 3): AZADÎ (de/en)
(Page 4): Nanuk (de/en)
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(Page 7): Kay Schedel (de/en)
(Page 8): Andreas Krebs (de/en)
(Page 9): Solidaritätskreis Justice4Mouhamed (Dortmund) (de/en)