Zusammenfassung und Redebeiträge der Demo 2025 in Gedenken an Ferhat Mayouf

Veröffentlich am 11.08.2025

Redebeitrag von AZADÎ

[english below]

Liebe Freundinnen und Freunde,

seit Ende November letzten Jahres sitzt Mehmet Karaca hier in Moabit in Untersuchungshaft. Mittlerweile liegt auch die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft vor. Mehmet wird verdächtigt, „hauptamtlicher Kader“ der sich mittlerweile aufgelösten PKK gewesen zu sein – zwischen 2014 und 2015 im Süden Deutschlands sowie in Köln und seit 2024 im Großraum Berlin, Hamburg und Niedersachsen. Laut Bundesanwaltschaft soll er in dieser Funktion „typische Leitungsaufgaben“ wahrgenommen haben.

Die Prozesse nach §129b gegen kurdische politische Aktivist:innen laufen vor den deutschen Gerichten alle nach demselben Muster. Den Angeklagten werden in der Regel keine individuellen Straftaten zur Last gelegt. Vorgeworfen wird ihnen politisches Engagement, welches auch für viele von Euch zum Alltagsleben gehört, etwa Teilnahme an Demonstrationen und die Mobilisierung dafür. Nur, weil die mit dem §129b konfrontierten Personen das angeblich im Auftrag der kurdischen Arbeiterpartei PKK vornehmen, werden sie zu teils mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Auffällig ist bei Mehmet Karaca, dass zwischen den beiden ihm zur Last gelegten Zeiträumen neun Jahre liegen, in denen ihm nichts vorgeworfen wird.

Auch nach dem Aufruf für Frieden und Demokratie von Abdullah Öcalan und der Auflösung und angekündigten Entwaffnung der PKK im Mai setzt die deutsche Justiz ihre Repression gegen kurdische politische Aktivisten fort. Der bekannte kurdische Politiker Yüksel Koç wurde am 20. Mai in seiner Bremer Wohnung festgenommen. Vorgeworfen wird ihm seine langjährige politische Tätigkeit als Ko-Vorsitzender des „Kongresses des Verbandes Demokratischen Gemeinschaften Kurdistans in Europa (KCDK-E)“. Wie bei den anderen Angeklagten in den § 129b-Prozessen werden auch ihm keine individuellen Straftaten vorgeworfen, sondern seine allgemeinen politischen Tätigkeiten, die von der Bundesanwaltschaft als „Propagandaarbeit für die PKK“ dargestellt werden.

Erstmalig gab es auch einen Versuch der Ausländerbehörden, einen nach §129b verurteilten genossen direkt aus dem deutschen Gefängnis in die Türkei abzuschieben. Mehmet Cakas wurde im April 2024 vom OLG Celle zu 2 Jahren und 10 Monaten Haft verurteilt. Regulär hätte er im Oktober dieses Jahres seine Haft abgesessen. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hatte im Juni einen Eilantrag gegen seine Abschiebung in einem oberflächlichen Verfahren abgelehnt. Aktuell ist die Abschiebung vom Tisch, da Mehmet Karaca per Europäischem Haftbefehl aus Italien ausgeliefert wurde und auch Italien einer Auslieferung zustimmen müsste. Wir gehen aber davon aus, dass es bei anderen noch einsitzenden Gefangenen zu ähnlichen Versuchen durch die Ausländerbehörden kommen wird.

Wir hoffen als AZADÎ natürlich, dass das Bundesverfassungsgericht die Abschiebung von Mehmet Cakas stoppt. Darüber hinaus fordern wir angesichts der hoffnungsvollen Entwicklungen in der Türkei zur Beendigung eines jahrzehntelangen Konflikts ein Umdenken auch in Deutschland. Wir brauchen ein Primat der Politik gegenüber der seit Jahrzehnten eingespielten Repressionsbürokratie und appellieren vor allem an den deutschen Bundestag, die positiven Schritte der kurdischen Bewegung aufzunehmen und entsprechende Initiativen zu ergreifen. Dazu gehören im Bereich der Innenpolitik die Rücknahme der Verfolgungsermächtigung des Justizministeriums gegen die PKK in Bezug auf § 129b StGB und die Einstellung der laufenden Verfahren. Ebenso fordern wir die Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland und die Streichung der PKK von der EU-Terrorliste.


(Seite 1): Zusammenfassung (de/en)
(Seite 2): Benjamin Düsberg (de/en)
(Seite 3): AZADÎ (de/en)
(Seite 4): Nanuk (de/en)
(Seite 5): Cleo (en/de)
(Seite 6): Thomas Meyer-Falk (de/en)
(Seite 7): Kay Schedel (de/en)
(Seite 8): Andreas Krebs (de/en)
(Seite 9): Solidaritätskreis Justice4Mouhamed (Dortmund) (de/en)



Speech from AZADÎ

Mehmet Karaca has been in custody here in Moabit since the end of November last year. The charges brought by the Federal Public Prosecutor’s Office are now available. Mehmet is suspected of having been a ‘full-time cadre’ of the now dissolved PKK – between 2014 and 2015 in southern Germany and Cologne, and since 2024 in the greater Berlin, Hamburg and Lower Saxony areas. According to the Federal Public Prosecutor’s Office, he is said to have performed ‘typical management tasks’ in this role.

The trials against Kurdish political activists under Section 129b all follow the same pattern in German courts. The defendants are not usually charged with individual crimes. They are accused of political activism, which is part of everyday life for many of you, such as participating in demonstrations and mobilising support for them. Simply because the individuals confronted with Section 129b allegedly act on behalf of the Kurdish Workers‘ Party (PKK), they are sentenced to prison terms, some of which are several years long. What is striking in the case of Mehmet Karaca is that there is a nine-year gap between the two periods for which he is charged, during which he is not accused of anything.

Even after Abdullah Öcalan’s call for peace and democracy and the dissolution and announced disarmament of the PKK in May, the German judiciary continues its repression of Kurdish political activists. The well-known Kurdish politician Yüksel Koç was arrested in his Bremen apartment on 20 May. He is accused of his long-standing political activity as co-chair of the ‘Congress of the Federation of Democratic Communities of Kurdistan in Europe (KCDK-E)’. As with the other defendants in the § 129b trials, he is not accused of any individual crimes, but rather of his general political activities, which are portrayed by the Federal Public Prosecutor’s Office as ‘propaganda work for the PKK’.

For the first time, the immigration authorities attempted to deport a person convicted under Section 129b directly from a German prison to Turkey. Mehmet Cakas was sentenced to two years and ten months‘ imprisonment by the Higher Regional Court of Celle in April 2024. He would normally have completed his sentence in October of this year. In June, the Administrative Court of Lüneburg rejected an urgent application against his deportation in a superficial procedure. Currently, the deportation is off the table, as Mehmet Karaca was extradited from Italy under a European arrest warrant and Italy would also have to agree to the extradition. However, we assume that the immigration authorities will make similar attempts with other prisoners who are still in custody.

We at AZADÎ naturally hope that the Federal Constitutional Court will stop Mehmet Cakas‘ deportation. In addition, in view of the hopeful developments in Turkey towards ending decades of conflict, we call for a rethink in Germany as well. We need politics to take precedence over the repressive bureaucracy that has been in place for decades, and we appeal above all to the German Bundestag to take note of the positive steps taken by the Kurdish movement and to take appropriate initiatives. In the area of domestic policy, this includes revoking the Ministry of Justice’s authorisation to prosecute the PKK under Section 129b of the German Criminal Code and discontinuing the ongoing proceedings. We also call for the lifting of the PKK ban in Germany and the removal of the PKK from the EU terror list.


(Page 1): Summary (de/en)
(Page 2): Benjamin Düsberg (de/en)
(Page 3): AZADÎ (de/en)
(Page 4): Nanuk (de/en)
(Page 5): Cleo (en/de)
(Page 6): Thomas Meyer-Falk (de/en)
(Page 7): Kay Schedel (de/en)
(Page 8): Andreas Krebs (de/en)
(Page 9): Solidaritätskreis Justice4Mouhamed (Dortmund) (de/en)

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