Redebeiträge und Zusammenfassung der Ferhat Mayouf Kundgebung

Veröffentlich am 01.08.2022

Redebeitrag der Roten Hilfe Berlin

Liebe Genoss:innen, liebe Teilnehmende und liebe Gefangene hinter den hohen Knastmauern, ich grüße euch im Namen der Rote Hilfe Berlin. Wir sind heute hier versammelt um Ferhat Mayouf zu gedenken, sowie uns mit seinen Freund:innen und seinen Angehörigen zu solidarisieren. Vor genau zwei Jahren, verbrannte er in seiner Zelle, hier in der JVA Moabit.

Um die Knastleitung, Schlusen und sonstige Verantwortliche freizusprechen ist die Todesursache schnell klar. Die Justiz scheint, trotz vieler Ungereimtheiten, nur eine Antwort darauf zu haben. Suizid.
Ferhat hat nach Hilfe gerufen? Suizid.
Die Wärter haben die Tür nicht aufgemacht? Suizid.
Keine medizinische Grundversorgung, trotz klarer Depression? Suizid.
Dafür aber täglich 23 Stunden Isolationshaft? Suizid.
Wir können und wollen diese Antwort nicht mehr hören. Der Tod von Ferhat Mayouf reiht sich ein, in den vielen anderen sogenannten Suiziden in Knästen, Lagern und Polizeigewahrsam. Alleine für das Jahr 2020 sind uns mindestens 76 weitere Fälle nur aus den Gefängnissen bekannt.

Das wir uns ausgerechnet heute hier versammelt haben und dass der Name Ferhat Mayouf nicht in Vergessenheit geraten ist, ist kein Zufall. Ganz im Gegenteil, ist es das klare Zusammenspiel von Insassen, die Ungereimtheiten offenlegten, einem Bruder, welcher an dem Suizid klare Zweifel hegt und auch von Genoss*innen in Freiheit, die das kontinuierliche Töten nicht mehr hinnehmen wollen.

Wir sehen keinen bedauerlichen Einzelfall, sondern einen weiteren Mord. Denn der Staat nimmt den Tod vieler Leben willentlich in Kauf. Er entzieht Menschen die Freiheit. Er gefährdet ihre physische und psychische Unversehrtheit. Und er vertuscht Fahrlässiges Handeln bis bewusste Tötungen seiner Vertreter:innen.

Denken wir nur an Marcel, einem Obdachlosen in Schöneweide. Dieser wurde im April dieses Jahres von der Polizei mit Tritten und Pfefferspray verjagt. Er erlag eine Woche später seinen Verletzungen.

An Mohammed Idrissi im Juli 2020 in Bremen. Dieser befand sich in einer psychischen Ausnahmesituation und statt zu deeskalieren, bedrängten Ihn die Beamt:innen, bis sie ihn erschossen.

Oder auch an Qosay Sadam Khalaf aus Delmenhorst. Nachdem er vor der IS nach Deutschland geflohen ist, wurde er im März 2021 von Bullen misshandelt und starb am nächsten Tag in Krankenhaus.

Die Liste der Todesfälle und Morde durch Polizei, Knast und Staat ist sehr lang und scheint auch kein Ende zu nehmen. Jedes Jahr fügen wir weitere Namen oder auch unbekannte Fälle hinzu. Das, liebe Genoss:innen, muss sofort aufhören. Wir begrüßen alle ernsthaften Bemühungen, diesem tödlichen System etwas entgegenzusetzen.

Sei es beispielsweise durch Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit oder solidarischen Aktionen auf der Straße. Wir wissen, dass der Bruder von Ferhat gegen die Verantwortlichen der JVA Moabit ein Strafverfahren anstrebt. Wir wünschen ihm und allen weiteren Unterstützenden viel Kraft für diese Mammut Aufgabe. Die Austragung des politischen Kampfs vor Gericht, kann kleine Teil Erfolge erzielen. Sie sorgen dafür, dass der Todesumstand bekannter wird und der Staat in Erklärungsnot gerät. Doch das hindert ihn nicht daran, die Verantwortlichen mit milden bis zu nichtigen Konsequenzen von der Schuld zu befreien. Denn ein wirkliche Veränderung müsste ohne Umwege zur Auflösung des jetzigen Polizei und Knastapparates führen. Die Grenzen der Justiz offen zu legen, bringt uns zur Erkenntnis, dass der Kampf gegen die Staatsgewalt an mehreren Fronten geführt werden muss.

Das dabei die Freund:innen und Angehörige, sowie Unterstützende bei ihren Bemühungen ins Kreuzfeuer der Repression geraten ist nicht verwunderlich. Im Fall von Ferhat Mayouf, möchten wir auf den ehemaligen Insassen der JVA Moabit Kay Schedel hinweisen. Dieser hat uns wichtige Informationen, sowie Zeugenaussagen weitergeben können. Schnell war er der Knastleitung ein Dorn im Auge und wurde mit Repressalien überzogen in Form von Zimmer Razzien, das ausstellen seiner Heizung im Winter, sowie einer erniedrigen Leibesvisitation.

Wir dürfen niemanden mit Repression alleine lassen. Und vor allem dürfen wir uns nicht spalten lassen, weder in gute noch in schlechte Aktivist:innen. Und das weder durch die Beurteilung der Polizei, dem Verfassungsschutz, der Springer Presse oder sonstigen Konsorten, noch durch die Knastmauern.

Trotz aller Unterschiede, die wir inhaltlich oder methodisch haben, so eint uns doch der Kampf für eine bessere Zukunft. Als strömungsübergreifende Antirepressionsstruktur, wissen wir wie wichtig es ist, dass wir interne Kritik und Auseinandersetzungen solidarisch austragen und voneinander lernen müssen, anstatt dass wir uns voneinander distanzieren.

Denn, liebe Genoss:innen, Solidarität ist eine Waffe, die wir alltäglich gebrauchen müssen. Lasst uns gemeinsam das jetzige System abschaffen.

Wir sind es Ferhat Mayouf, Marcel, Mohammed Idrissi, Qosay Sadam Khalaf und den vielen weiteren schuldig.

Kein Vergeben, kein Vergessen
No Justice – No Peace

Danke


Übersicht
Criminals for Freedom (S.2)
Kay Schedel (S.3)
Women in Exile en francais und in deutsch (S.4)
Redebeitag vom Recherche Team Death in Custody (S.5)
Beiträge der Moderation zu Marcel, Hussam Fadl und Beate F. (S.6)
Redebeitrag von Ihr seid keine Sicherheit (S.7)
Redebeitrag der Roten Hilfe Berlin (S.8)
Redebeitrag von Free Mumia Berlin (S.9)
Aufruf für die Kundgebung „Gerechtigkeit für Nzoy!“ (S.10)

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