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Freiheit für die Inhaftierten in Budapest! Zusammenstehen gegen die neue Repressionswelle gegen Antifaschist:innen

Veröffentlich am 29.03.2023

Wir dokumentieren hier einen Aufruf zur Solidarität, des “Solikreis der beschuldigten Antifaschist:innen”.

Aufruf zur Solidarität

Die ungarische und deutsche Polizei haben im Nachgang zu den Protesten gegen ein internationales Nazi-Gedenken in Budapest eine Repressionswelle losgetreten. U.a. aufgrund erfolgreicher Mobilisierung durch Antifas in den letzten Jahren ist es für Nazis nicht mehr möglich, ihr ritualisiertes Gedenken unwidersprochen in der Budapester Innenstadt abzuhalten. Die Repressionsbehörden nahmen die Gegenkundgebung sowie mehrere Konfrontationen mit Nazis zum Anlass für weitreichende Maßnahmen wie Untersuchungshaft, Hausdurchsuchungen und Fahndungen mit Haftbefehl. In den bundesrepublikanischen wie ungarischen Medien wurde die antifaschistische Bewegung und eine offensive Politik gegen Faschisten zur Zielscheibe einer rechten Propagandakampagne. Die zwei Antifaschist:innen in ungarischer U-Haft sowie weitere beschuldigte und gesuchte Genoss:innen brauchen jetzt unsere Solidarität!

Repressionswelle in Deutschland und Ungarn gegen Antifas

Im Februar begeht die europäische militante Neonaziszene in Budapest einen NS-glorifizierenden Gedenkmarsch, den “Tag der Ehre”, um ihre historischen Vorbilder, die Waffen-SS und die Wehrmacht, zu “ehren”. Im Rahmen der Gegenaktivitäten zu dem faschistischen Marsch kam es zu Festnahmen mehrerer Genoss:innen aus Ungarn, Deutschland und Italien. Zwei von ihnen befinden sich aktuell noch immer in U-Haft, eine andere Person befindet sich unter Auflagen auf freiem Fuß. Gegen weitere Genoss:innen wurden Haftbefehle erlassen und nach ihnen wird zum Teil öffentlich gefahndet.

Im Nachgang haben deutsche Behörden bundesweit Hausdurchsuchungen durchgeführt, um weiteren Druck auf Antifaschist:innen auszuüben. Die Behörden beschuldigen darüber hinaus noch weitere Personen sich an Angriffen auf Nazis in Budapest beteiligt zu haben.

Die deutsche Polizei, insbesondere das LKA Sachsen, hat es sich nicht nehmen lassen, schon vor einem offiziellen Amtshilfeersuche aus Ungarn und kurz nach den Festnahmen in Ungarn mit Repressionsmaßnahmen gegen unsere Genoss:innen zu beginnen und hat dazu wahrscheinlich eigene Ermittlungsverfahren eröffnet.

Doch die Kriminalisierung traf zunächst Teilnehmer:innen der jährlichen internationalen Antifa-Kundgebung gegen das faschistische Gedenken. Ca. 150 Teilnehmer:innen wurden eingekesselt und ungarische Bullen unternahmen Versuche, an Handydaten zu gelangen. Bei einem Großteil der Gegendemonstrant:innen wurden Personalien aufgenommen und die Gesichter abfotografiert.

Rechte Medienkampagne in Ungarn und Deutschland

Das Video eines Angriffs auf einen Nazi wurde zum Anlass genommen, um eine bespiellose Medienhysterie in Ungarn vom Zaun zu brechen, die sich gegen Antifaschist:innen und Linke im Allgemeinen richtet. Die Bild-Zeitung veröffentlichte die Namen der Gefangenen und weiterer Verdächtiger. Zahlreiche faschistische Gruppen und Orban-nahe Medien beteiligten sich an Outings von Antifaschist:innen. Ungarische Medien und Politik nutzten den Vorgang für eine Debatte um ein Verbot antifaschistischer Organisationen.

Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Repressionswelle der deutschen und ungarischen Behörden gegen die Betroffenen und deren Umfelder in den kommenden Monaten mit neuen Verfahren, Untersuchungshaft und anderen Maßnahmen fortläuft. Diese erneute Repressionswelle steht in der Tradition des Antifa-Ost-Verfahrens und der rechten Agenda sächsischer Repressionsbehörden, eine konsequente Antifa-Politik zu unterdrücken. Die Bildung einer über vierzigköpfigen Sonderkomission in Budapest, die Hausdurchsuchungen in Berlin, Leipzig und Jena, die Haftbefehle und Öffentlichkeitsfahndnungen sind vermutlich erst der Anfang einer größeren Repressionswelle. Darauf müssen wir uns vorbereiten und es braucht internationale Solidarität, um dieser Repression entschlossen entgegenzutreten.

Beteiligt Euch nicht an Spekulationen über Taten, vermeintlich Tatbeteiligte und Verbindungen! Spendet Geld, verbreitet diesen Aufruf und informiert Euch und andere über das Verfahren!

Antifa in die Offensive!

Spenden an:

Rote Hilfe e.V.
GLS-Bank
Konto-Nr.: 4007 238 317
BLZ: 430 609 67

IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17
BIC: GENODEM1GLS

Stichwort: Budapest

Aufmerksame Leser:innen dürften bemerkt haben, dass im Versuch so schnell wie möglich solidarische Strukturen für die wegen der Proteste gegen den “Tag der Ehre” von Repression Betroffenen aufzubauen gleich zwei Solikonten beworben wurden. Eins der Kampagne “NS-Verherrlichung stoppen” und eins des Solikreises der in Budapest festgenommenen Antifaschist:innen.

Beide Konten funktionieren und gehen direkt an Betroffene von Repression.

Rote Hilfe OG Berlin

Spendenaufruf: Solidarität mit den Genoss:innen in Budapest

Veröffentlich am 11.03.2023

Wir veröffentlichen hier einen Spendenaufruf der Kampagne “NS-Verherrlichung stoppen!”

Die Kampagne „NS-Verherrlichung stoppen!“ sammelt Geld für die von Repression betroffenen Genoss:innen im Nachklang der erfolgreichen Proteste gegen den „Tag der Ehre“.

Der diesjährige NS-glorifizierende „Tag der Ehre“ in Budapest Ungarn, war geprägt von einer zunehmenden Repression seitens der ungarischen und deutschen Polizei. Das Vorgehen der ungarischen Behörden steht im Kontext der erfolgreichen Mobilisierung durch Antifas in den letzten Jahren. Es ist für Nazis nicht mehr möglich, ihr ritualisiertes Gedenken in der Budapester Innenstadt abzuhalten.

Im Rahmen der Gegenaktivitäten kam es zu Festnahmen von vier Antifaschist:innen.
Aktuell befinden sich noch 2 von ihnen ohne Vorliegen konkreter Beweise in U-Haft, eine weitere Person wurde gegen Auflagen aus der Haft entlassen.
Nach der Veröffentlichung eines Videos, das einen Angriff auf eine Person in Tarnkleidung dokumentiert, kam es zu unterschiedlichen Maßnahmen gegen Antifaschist:innen, die nach Budapest gefahren waren, um international gegen den größten Naziaufmarsch Europas zu demonstrieren.

Die Kriminalisierung richtete sich zunächst gegen Teilnehmer:innen der jährlichen internationalen Antifa-Kundgebung gegen das faschistische Gedenken dem sog. „Tag der Ehre“. Zum ersten Mal in der langjährigen Geschichte der Gegenproteste wurden ca. 150 Teilnehmer:innen eingekesselt und es gab mehrfach Versuche durch ungarische Bullen an Handydaten zugelangen. Bei einem Großteil der Gegendemonstrant:innen wurden Personalien aufgenommen und die Gesichter abfotografiert. Es ist zu befürchten, dass es in den kommenden Jahren verstärkt Ausreiseuntersagungen für Menschen, die an den Protesten gegen den „Tag der Ehre“ teilgenommen haben, geben wird. Bereits in diesem Jahr wurde versucht einige unliebsame Journalist:innen an der Ausreise zu hindern.
Das Video wurde ferner zum Anlass genommen, um eine beispiellose Medienhysterie in Ungarn vom Zaun zu brechen, die sich gegen Antifas und Linke richtet. Die BILD-Zeitung veröffentlichte am 13.2. die Namen von den Gefangenen und weiteren Verdächtigen, was zu Öffentlichkeitsfahndungen führte. Zahlreiche faschistische Gruppen und Orban-nahe Medien beteiligten sich an Outings von Antifas. Medien und Politik nutzen den Vorgang für eine Debatte um ein Verbot antifaschistischer Organisationen. Die Lage ist vor allem für unsere ungarischen Genoss:innen ernst und es braucht internationale Solidarität.
Gleiches gilt selbstverständlich auch für die Gefangenen und Betroffenen der Öffentlichkeitsfahndungen. Wir brauchen einen langen Atem und müssen uns auch künftig auf Repression durch deutsche und ungarische Bullen einstellen. Die Hausdurchsuchungen in Berlin und die Bildung einer über 40-köpfigen Sonderkommission in Budapest sind Vorboten einer größeren Repressionswelle. Dieser Repression müssen wir uns entschlossen entgegenstellen!
Unterstützen könnt ihr mit einer Spende. Das Geld geht direkt an Betroffene von Repression.

Konto:
Netzwerk Selbsthilfe e.V.
Stichwort: NS-Verherrlichung stoppen
IBAN: DE12 1009 0000 7403 8870 18
BIC: BEVODEBB

Aufmerksame Leser:innen dürften bemerkt haben, dass im Versuch so schnell wie möglich solidarische Strukturen für die wegen der Proteste gegen den “Tag der Ehre” von Repression Betroffenen aufzubauen gleich zwei Solikonten beworben wurden. Eins der Kampagne “NS-Verherrlichung stoppen” und eins des Solikreises der in Budapest festgenommenen Antifaschist:innen.

Beide Konten funktionieren und gehen direkt an Betroffene von Repression.

Rote Hilfe OG Berlin

Soliparty für politische Gefangene

Veröffentlich am 10.03.2023

Jede:r Aktivist:in, die*der sich ernsthaft gegen die herrschenden Verhältnisses kämpft muss früher oder später mit Repression rechnen. Im bürgerlichen Staat stellt die Inhaftierung von Menschen die stärkste Form der Repression, weswegen wir Gelder für inhaftierte politische Gefangene sammeln. Unterstützt unsere Arbeit und kommt zu unserer Soliparty am 18.3.2023, dem Tag der politischen Gefangenen, in der KVU.

Lasst uns über Knast und Repression reden – Ein Gespräch mit Kay

Veröffentlich am 06.03.2023

Politische Bewegungen müssen sich mit dem Thema Repression auseinandersetzen, um sich im Ernstfall auch darauf besser vorzubereiten. Als Rote Hilfe Berlin machen wir oft die Erfahrung dass. vor allem jüngere, Genoss:innen, sich damit zu wenig beschäftigen und das Thema fast verdrängen. Das Ergebnis ist eine diffuse Unsicherheit und teilweise Lähmung. Daher haben wir einem politisch kämpfenden Gefangenen gebeten, uns Etwas über seine Sicht und Knast Erfahrung zu berichten.


Willst du dich einmal kurz vorstellen um über deine Situation zu erzählen?

Mein Name ist Kay Schedel, momentan im offenen Vollzug der JVA Neuruppin-Wulkow. Bevor ich nach Neuruppin-Wulkow gekommen bin, war ich für 14 Monate in der U-Haft in Berlin Moabit.

Wie bist du reingekommen nach Moabit?

Warum ich in die UHaft gekommen bin, dazu möchte ich gerne auf den Artikel „Prozessbericht über die Verhandlung wegen dem Brand im Gericht Tiergarten“ (10.09.2020) auf der Hompage Criminals for Freedom verweisen. (https://criminalsforfreedom.noblogs.org/2020/09/prozessbericht-ueber-die-verhandlung-wegen-dem-brand-im-gericht-tiergarten/)

Wie war dein erster Eindruck, als du in die U-Haft gekommen bist? Hattest du schon vorher Erfahrung mit Knast als Besucher oder was darüber gelesen? Oder war alles neu für dich?

Gelesen mal ab und zu in den Nachrichten, wenn es zum Beispiel Revolten in Gefängnissen gab, oder jemand ist zu tode gekommen, wenn mal daüber berichtet worden ist. Sonst hatte ich noch gar keine Bezüge zum Thema Knast. Ich bin halt mal vorbeigefahren. Habe mir öfters gedacht: muss echt scheiße dahinter sein.
Der erste Eindruck in der JVA Moabit: es stinkt, es ist grau, es ist kalt. Hier darf man erstmal quasi seinen Prozess abwarten, man weiß nicht was passiert. Wie soll man damit umgehen, was ist mit der Freundin, ganz wichtig. Was ist mit den Eltern, was ist mit den ganzen Bekannten? Wenden sie sich jetzt ab, glauben sie den ganzen Stuss, warum ermittelt wird. Da waren also zigtausend Fragen, die auf einen einprasseln. Und die erste Zeit, die ersten 1-2 Monate, war man mega mega traurig. Ja also irgendwie, weiß ich nicht, ein paar Gedanken gehabt. Das hält man nicht aus, das möchte man nicht aushalten und irgendwann kam dann der Punkt, wo man gemerkt hat, dass in diesem Knast-System, beziehungsweise in der JVA Moabit sehr viel Mist gemacht wird mit den Gefangenen. Dort gilt eigentlich noch die Unschuldsvermutung, da die noch kein Urteil haben. Das quasi mit den Menschen ekelhaft umgegangen wird. Manche Repression erleiden. Irgendwann fing bei mir auch die erste Repression an, wo ich mir dann gesagt hab, dass werde ich mir von diesem Justizsystem und diesen Schlusen die dort arbeiten nicht gefallen lassen. Und wie gesagt, nach diesen zwei Monaten ist die Traurigkeit und die Hoffnungslosigkeit in Wut und Hass gegen dieses System umgeschlagen.

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Ältere Redebeiträge zu Polizei(gewalt)

Veröffentlich am 02.03.2023

– Doch wie eh und je bleibt es aktuell

Wir veröffentlichen hier im Nachgang zwei ältere Redebeiträge von uns. Der erste Beitrag wurde auf der “Umverteilen” Demo, am 12.11.22 gehalten und der zweite bei der Kundgebung “was tun gegen Gewalt an Menschen in Krisen”, am 13.11.22.


Beitrag vom 12.11

Hallo Liebe Mitstreiter:innen, hallo liebe Genoss:innen, ich grüße euch im Namen der Roten Hilfe Berlin, schön, dass ihr alle da seid!

Die Ampel-Koalition sagt uns, wir müssen zusammenhalten.
Wenn wir alle weniger duschen und heizen, kämen wir schon gut durch die sogenannte Krise und die Inflation.
Dazu wird ein wenig am Mindestlohn rumgeschraubt und einen kleinen Heizkostenzuschlag gibt es auch. Welch ein blanker Hohn!

Unsere Mieten waren schon VOR der sogenannten Krise viel zu hoch, schon VOR der Explosion der Preise lebten 13 Millionen Menschen in Deutschland in Armut. Jetzt gesellen sich noch astronomische Energie- und Lebenshaltungskosten dazu während Konzerne und Banken Rekordgewinne einfahren oder mit Rettungsschirmen gerettet werden.

Gleichzeitig gibt es Institutionen, die von den verantwortlichen Parteien, sowohl in der Bundesregierung als auch hier in Berlin, fröhlich immer weiter mit Steuergeldern gefüttert und technisch aufgerüstet werden. 
Und zwar Repressionsorgane wie die Polizei und der Verfassungsschutz! Organe, die unfähig sind ihre internen rechten Netzwerke zu bekämpfen, da diese ein Produkt ihrer grundlegenden Arbeits- und Denkweise sind. Aber auch die Bundeswehr, wo sich rechte Denkweisen und Faschist:innen aus den gleichen Gründen wohlfühlen.

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Klimaschutz statt Repression: Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­satz gilt auch im Umgang mit der “Letzten Generation”!

Veröffentlich am 22.12.2022

Wir dokumentieren an dieser Stelle eine gemeinsame Erklärung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins, von Green Legal Impact, Lawyers4Future, ClientEarth, der Humanistischen Union und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie

Mit dem Vorwurf der “Bildung einer kriminellen Vereinigung” nach § 129 StGB fahren die Strafverfolgungsbehörden schweres Geschütz gegen gewaltfreien Klimaprotest auf, der mit der Einhaltung der Klimaschutzziele ein verfassungs- und völkerrechtlich legitimiertes Anliegen verfolgt. Angesichts der weitreichenden Grundrechtseingriffe, die durch diesen Vorwurf gerechtfertigt werden, halten wir die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neuruppin nach § 129 StGB gegen Menschen aus der Bewegung “Letzte Generation” für unverhältnismäßig. 21. Dezember 2022 von Gemeinsame Erklärung

Die strafrechtliche Verfolgung von Mitgliedern der Bewegung „Letzte Generation“ hat eine neue Qualität erreicht. Am vergangenen Dienstag, den 13.12.2022, kam es zu elf Hausdurchsuchungen und der Beschlagnahmung von Handys, Laptops und Plakaten. Der Vorwurf lautet „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ gemäß § 129 Abs. 1 StGB, außerdem Störung öffentlicher Betriebe (§ 316b StGB), Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) und Nötigung (§ 240 StGB). Medienberichten zufolge wurden Ermittlungen gegen insgesamt 34 Beschuldigte in acht Bundesländern eingeleitet, nachdem seit Mai bei mehreren Protestaktionen an der PCK-Raffinerie in Schwedt Ventile zugedreht und der Öl-Zufluss damit kurzzeitig unterbrochen worden sein soll. Zwei Wochen vor den Hausdurchsuchungen hatten mehrere Landesminister auf der Innenministerkonferenz Ermittlungen nach § 129 StGB gefordert.

Anfangsverdacht der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ bereits fraglich

Die Unterzeichnenden kritisieren dieses Vorgehen, denn bereits das Vorliegen des Anfangsverdachts bezüglich der Bildung einer kriminellen Vereinigung erscheint zweifelhaft. Der Tatbestand setzt voraus, dass eine Gruppe die Begehung von schweren Straftaten bezweckt, von denen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Das trifft auf das Festkleben an Straßen, Gemälden und Flughäfen als bislang wichtigster Protestform der „Letzten Generation“ schon im Ansatz nicht zu. Ob Sitzblockaden und andere Formen des zivilen Ungehorsams überhaupt strafbares Verhalten darstellen, ist fraglich – Gerichte und Staatsanwaltschaften haben die wertungsoffenen juristischen Fragen der Verwerflichkeit und eines rechtfertigenden Klimanotstandes zuletzt unterschiedlich beantwortet und Protestierende vereinzelt freigesprochen. Jedenfalls aber haben die mit den Sitzblockaden verbundenen Vorwürfe kein ausreichendes Gewicht, um Vorwürfe nach § 129 StGB begründen zu können.

Ähnlich sieht es bei dem Zudrehen von Ventilen an der Raffinerie in Schwedt aus. Weder wurden durch die kurzzeitige Unterbrechung der Versorgung einer Raffinerie Menschen gefährdet, noch die öffentliche Sicherheit in erheblichem Maße beeinträchtigt. Auch zu Sachbeschädigungen kam es nicht. Dass die Aktion möglicherweise den Anfangsverdacht einer Störung öffentlicher Betriebe begründet, kann für sich genommen die Ermittlungen nach § 129 StGB ebenso wenig rechtfertigen.

Motivation, Ziele und Kontext entscheidend

Gerade weil der Vorwurf nach § 129 StGB weitreichende Ermittlungsmaßnahmen ermöglicht, die mit schweren Grundrechtseingriffen verbunden sind, fordert auch der BGH die strikte Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Bewertung der Zwecke einer Vereinigung. Ob die Schwelle zu einer kriminellen Vereinigung im Sinne der Vorschrift überschritten wird, ist nicht allein anhand der begangenen Straftaten, sondern anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu bewerten, die auch den Rahmen und den Hintergrund der Taten in den Blick nimmt – und gerade dieser könnte nicht deutlicher gegen die Annahme einer kriminellen Vereinigung sprechen:

Die „Letzte Generation“ weist mit ihrem Protest auf etwas hin, das auch Barack Obama und Annalena Baerbock genau so formuliert haben: Dass wir zu der letzten Generation gehören, die die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels noch stoppen kann. „Die nächsten acht Jahre sind entscheidend“, erkennt selbst Bundeskanzler Olaf Scholz. Trotzdem reichen weder global noch national die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen aus, um die globalen Klimaziele sowie den in Deutschland verfassungsrechtlich vorgegebenen Reduktionspfad einzuhalten. Das wurde unlängst durch das Zweijahresgutachten des Expertenrates für Klimafragen bestätigt, der einen Paradigmenwechsel in der deutschen Klimaschutzpolitik anmahnt. Derweil hat der voranschreitende Klimawandel bereits in vielen Teilen der Erde verheerende Konsequenzen. Angesichts dieser Entwicklungen richtet sich die „Letzte Generation“ an die Politik. Die Bewegung fordert im Grunde nicht mehr, als die Einhaltung des Klimaschutzgesetzes und der völker- und verfassungsrechtlichen Pflicht, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5° C zu begrenzen. Die Proteste haben ein starkes kommunikatives Element und zielen auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung ab. Sie nehmen damit eine grundrechtlich garantierte Freiheit wahr, welche das Bundesverfassungsgericht als schlechthin konstitutiv für unsere Demokratie erachtet. Diese Umstände müssen die Ermittlungsbehörden bei der Bewertung des Verhältnisses von Straftaten und verfolgten Zwecken angemessen berücksichtigen.

Für die strafrechtliche Bewertung des Gesamtbildes ist außerdem entscheidend: Die Bewegung agiert nicht im Verborgenen, sondern trägt ihre Ziele und Methoden sowie die Identität der Beteiligten in die Öffentlichkeit. Dort, wo die gewählten Protestformen des zivilen Ungehorsams die Grenzen zur Strafbarkeit überschritten haben, stellen sich bislang alle Aktiven den Strafverfahren. All das spricht entscheidend gegen die Annahme einer kriminellen Vereinigung.

Ermittlungsmaßnahmen müssen Verhältnismäßigkeit wahren

In jedem Fall erscheinen die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen angesichts des gewaltfreien und öffentlichen Protests und der verfolgten Anliegen der Bewegung unverhältnismäßig. Die Mitglieder der „Letzten Generation“ haben bislang keinerlei Anstalten gemacht, ihre Taten zu verbergen und Ermittlungsmaßnahmen zu behindern.

Leider reihen sich die Ermittlungen in andere staatliche Maßnahmen gegen die „Letzte Generation“ ein, wie die wahrscheinlich verfassungswidrige Anordnung eines 30-tägigen Gewahrsams in Bayern. In ihrer Gesamtheit erwecken diese Maßnahmen den Eindruck einer Instrumentalisierung des Ordnungs- und Strafrechts für die Delegitimierung und Einschüchterung von unliebsamem Protest. Das ist eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig. Repression sollte nicht die Antwort des Staats auf eine Klimabewegung sein, die den Erhalt unser aller Lebensgrundlagen einfordert und an die Einhaltung von Gesetz und Recht erinnert.

Die Dringlichkeit des Problems erkennen!

Vor allem aber drohen die Diskussionen über strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen von der eigentlichen Problematik abzulenken. Die Verantwortlichen sollten sich mit dem Ruf der Protestierenden nach wirksamen Maßnahmen gegen die drohende Klimakatastrophe auseinandersetzen und endlich ihren verfassungsrechtlichen Pflichten nachkommen. Klimaschutz ist Menschenrecht, das haben Gerichte rund um die Welt bereits entschieden – und dieses Menschenrecht hat jeder Staat zu achten. Die „Letzte Generation“ wählt drastische Mittel, um auf das bis heute andauernde, drastische Versagen der Klimaschutzpolitik hinzuweisen. Die Dringlichkeit der Klimakrise haben die meist jungen Betroffenen nicht zu verantworten.

§129 gegen zivilen Ungehorsam

Veröffentlich am 13.12.2022

Heute am 13.12. veröffentlichte der Blog der ‘Letzten Generation’ einen Bericht über Razzien bei Aktivist_innen der Gruppe. Vorgeworfen wird ihnen die Bildung einer kriminellen Organisation nach §129.

In unseren Vorträgen erklären wir den Paragrafen 129 als offenkundigstes Beispiel für politische Repression, schließlich stellt dieser Paragraf (incl Abs. a und b) an sich legales Verhalten unter Strafe. Auch wenn die Vorwürfe schlussendlich nicht für ein Gerichtsverfahren ausreichen, legitimieren sie weitreichende Ermittlungsmaßnamen.

Das liegt nicht an Fehlern der ermittelnden Behörde. Die Hausdurchsuchung durch aggressive Bullen am frühen Morgen ist selbst eine heftige Möglichkeit der Bestrafung . Ob der Wunsch ist, durch überzogene Vorwürfe ins Blaue hinein zu ermitteln und Informationen zu sammeln, mag von Fall zu Fall verschieden sein. Sicherlich geht die Staatsanwaltschaft davon aus, die Aktivist_innen eingeschüchtert und in ihrem Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt zu haben.

Dagegen stellen wir unsere Solidarität gilt den Betroffenen von staatlicher Repression! Dabei macht es für uns keinen Unterschied, ob die Vorwürfe plausibel, oder wie in diesem Fall völlig absurd sind.

Klima-Blockaden: Innenminister Stübgen will den Polizeistaat

Veröffentlich am 01.12.2022

Pressemitteilung der Roten Hilfe e.V. Ortsgruppe Potsdam

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) schwadroniert im Zuge der Klimaproteste über eine Verschärfung des kürzlich erst neu aufgelegten Brandenburgischen Polizeigesetzes zur Gefahrenabwehr. Sein Blick richtet sich dabei nach Bayern, wo nach dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz Personen auf richterliche Entscheidung bis zu zwei Monate inhaftiert werden können – um eine potenzielle schwere Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat zu verhindern. Ein Rahmen so weit und so unspezifisch, dass sich die Regelung dazu anbietet, politisch missbraucht zu werden. Da nützt dann auch der sogenannte Richtervorbehalt nicht mehr viel, zu sehen beispielsweise an der präventiven Inhaftierung von Klimaaktivist:innen in München.

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29 Jahre PKK-Betätigungsverbot in Deutschland

Veröffentlich am 24.11.2022

Keine Änderung der Repressionspolitik unter der Ampel-Regierung

Pressemitteilung von AZADÎ e.V. vom 24.11.2022

Am 26. November 1993 trat das vom damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther verfügte Vereins- und Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sowie angebliche Tochter- und mögliche Nachfolgeorganisationen in Deutschland in Kraft. Auf dieser Grundlage fanden in den letzten 29 Jahren zehntausende von Strafverfahren statt, wurden Grundrechte der in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden außer Kraft gesetzt, Demonstrationen und Kundgebungen verboten. Politisches Engagement ohne jeden strafrechtlichen Verstoß ist vielen Kurdinnen und Kurden ohne deutschen Pass unter Maßgaben des Ausländerrechts zum Verhängnis geworden. Einbürgerungen wurden verweigert, der Asylstatus wieder aberkannt und Menschen per Ausweisungsverfügung die Aufenthaltserlaubnis und damit jede gesicherte Lebensgrundlage in Deutschland entzogen. Kurdische Einrichtungen und Vereine waren flächendeckend der Bespitzelung durch Polizei und Geheimdienste ausgesetzt. Das Verbot hat tief in das Leben der Menschen eingegriffen und bei vielen die Erfahrung hinterlassen, der Verfolgung in der Türkei entkommen zu sein, um in Deutschland wieder in einer Falle zu sitzen.

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Haftstrafen für Unfreiwillige Feuerwehr

Veröffentlich am 19.11.2022

Pressemitteilung des Bundesvorstands der Roten Hilfe e.V.

Am Donnerstag, 17. November 2022 verurteilte das Amtsgericht Cottbus zwei Klimaaktivist*innen zu vier Monaten Haft: Ava und Ralph sind bereits seit der Blockade des Braunkohlekraftwerks in Jänschwalde am 19. September 2022 in Untersuchungshaft und sollen nun für weitere zwei Monate im Gefängnis bleiben. Damit hat der staatliche Repressionsapparat die Gangart gegen Kohlegegner*innen nochmals verschärft.

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