Neuigkeiten von Andreas Krebs – Vernachlässigende Gesundheitsversorgung der JVA Tegel

Veröffentlich am 19.12.2024

Wir veröffentlichen hier einen Beitrag, welchen Andreas Krebs verfasst hat. Darin schildert er gesundheitliche Probleme und wie die JVA Tegel mit solchen Problemen umgeht. Als Rote Hilfe Berlin können wir diese Umstände nur verurteilen, selbst wenn sie uns nicht verwundern. Wie immer gilt, schreibt Andreas und zeigt ihm und dem Knast, dass er nicht alleine ist, sprecht mit eurem Umfeld darüber und überlegt euch sonstige Aktionen aus.


Berlin, den 11. Dezember 2024

Andreas Krebs
– JVA Tegel –
Seidelstraße 39
13507 Berlin

Zu meinen aktuellen Gesundheitszustand

Am 14. November 2024 befand ich mich in meiner Arbeit in der Gärtnerei und mir ging es an diesen Tag gut. Jedoch sagte gegen Mittag meine Betriebsbeamtin, dass sie bemerken würde, dass ich eine Erkältung hätte und sagte, dass wenn es mir Freitag, also einen Tag darauf, nicht gut gehen würde, ich nicht zur Arbeit kommen müsse.
Ich dachte mir nichts weiter, denn ich fühlte mich nicht unwohl an diesem Tag.

Am Freitag, den 15. November 2024, sollte alles anders sein. Ich bemerkte am frühen Morgen, dass irgendetwas mit mir nicht stimmt und so schrieb ich einen Antragsschein mit der Bitte um eine Krankmeldung für diesen Tag und der Begründung dazu. Diesen Antrag warf ich in den Postkasten, der neben der Arztgeschäftsstelle ist, ein und ging wieder in meine Zelle.
Ich legte mich hin und schlief auch sofort ein.
Was anschließend passierte sind nur Bruchstücke an Erinnerungen und das, was mir mein Stationsbeamter und viele Mitgefangene von meiner Station erzählten.
So kann ich mich nur daran erinnern, dass der Stationsbeamte bei mir gewesen ist und irgendwas von mir wollte.
Ich habe keine Ahnung was genau, und ich kann mich nur noch daran erinnern, dass weiß gekleidete Menschen in meiner Zelle gewesen sind und eine Person meinen Blutdruck messen wollte.

Weiter kann ich mich nur daran erinnern, dass ein Mitgefangener versuchte mit mir zu sprechen und ansonsten habe ich einen kompletten Filmriss.
Ich wachte in der Nacht einmal auf und sah mich kurz in meiner Zelle um, dabei merkte ich, dass Essen auf meinem Tisch stand.
Ich musste dringend trinken, da ich mich fühlte, als wäre ich ausgetrocknet.
Am nächsten Tag schlief ich bis nach 11 Uhr vormittags und dass weiß ich deshalb so genau, da ein Mitgefangener sagte, dass man mich zum Besuch ausgerufen hat. Ich wusste nicht, was mit mir los ist, bin orientierungslos gewesen und ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, dass ich Besuch habe.
Ich ging einige Meter neben meiner Zelle zum Stationsbeamten ins Dienstzimmer und sagte, dass es mir nicht gut geht und ich weiß nicht ob ich eine Grippe habe oder was anderes.
Die Reaktion vom Beamten war erst einmal sofort das Fenster zu öffnen und ich solle ihn ja nicht anstecken. Er meinte weiter, dass er es an die Besuchsbeamten weiter gibt ,dass ich krank bin und nicht kommen kann.
Ich ging in meine Zelle und auf dem Tisch lagen Schmerzmittel und einiges für Grippe. Wahrscheinlich durch die Sanitäter bzw. Arzthelfer vom Vorabend.
Ich nahm einiges zu mir und legte mich wieder ins Bett.
Ich schlief mehrere Stunden und konnte erst Nachmittag Richtung Telefon laufen um Jutta und meinen Freund, der mich zuvor mit seiner Frau und den beiden Kindern besuchen wollte, anzurufen und über meinen Zustand zu verständigen.
Ich entschuldigte mich bei meinen Freund, der mit seiner Familie schon in der Anstalt gewesen ist und die Besuchsbeamten ihm sagten, dass ich krank bin.
Ich sagte ihm auch, dass ich nicht weiß, was ich habe und es vielleicht besser gewesen ist keinen Besuch zu machen, weil ich nicht wusste ob es nur eine Grippe ist oder was anderes.

Ich schrieb am Sonntag noch einen Antragsschein mit der Bitte um Krankmeldung für den Montag und wieder mit Begründung. Gleichzeitig vermerkte ich darauf, dass ich um einen Termin für eine Arztvisite bitte.
Ich warf diesen in besagten Postkasten und sprach aber gleich beim Arzthelfer vor, dass ich doch Bitte eine Auskunft möchte, was denn mit mir los ist. Der hatte aber selbst keine Informationen von seinen Kolleginnen und Kollegen und so habe ich noch um Medikamente für Grippe gebeten.
Ich sagte ihm, dass ich bitte schnell zum Arzt muss, weil es mir wirklich nicht gut geht und ich mich an den Freitag nicht erinnern kann.
Dann ging ich in Richtung Zelle und legte mich wieder hin.
Ich wachte erst wieder um ca. kurz nach 17 Uhr auf ,weil ein Gefangener zu mir kam der mir sagte, dass ich zum Besuch ausgerufen wurde. Oh je, sogar diesen hatte ich total vergessen.
Da ich die letzten Tage eh nur mit Klamotten geschlafen hatte, zog ich nur Schuhe an, ohne mich zu waschen und sammelte alle Kräfte, um zum Besuch gehen zu können, wo ein guter Freund bereits auf mich gewartet hat.
Zuerst sprach mich eine Besuchsbeamtin an, die bis vor ein paar Monaten bei uns Dienst hatte, also bei uns im Haus im B Flügel.
Sie sagte sofort: jetzt ging es Ihnen so gut die letzten zwei Monate, nachdem man im Haftkrankenhaus festgestellt hatte, dass ich über Monate falsche Medikamente bekam und diese nun eingestellt sind und die ganzen Wassereinlagerungen in Beinen und Armen nicht mehr aufgetreten sind – und nun das.
Sie sagte, dass sie am Samstag meinem Besuch sagte, dass ich nicht kommen kann, weil ich krank bin und mein Besuch war ein wenig verwirrt gewesen.
Ich sagte ihr, dass es mir nicht gut geht und nur mit letzter Kraft diesen Besuch mache. Ich betrat den Besuchsraum, wo mein Freund schon gewartet hat,
und dieser hat mich noch nie so gesehen. Ich konnte mich nicht wirklich konzentrieren auf unser Gespräch und mein Freund versuchte mich aufzubauen mit lieben Worten. Ich sagte ihm aber ganz ehrlich dass ich ganz froh bin, wenn der Besuch vorbei ist und ich wieder ins Bett komme, so mies ging es mir. (Das heißt schon etwas, wenn jemand nicht zum Besuch gehen kann und auch froh ist, wenn der Besuch vorbei ist.)
Wir verabschiedeten uns herzlich und ich kam zurück in meine Zelle, wo ich mich wieder mit gleichen Klamotten ins Bett legte.
Am nächsten Tag, Dienstag, den 19.. November 2024, schrieb ich um sechs Uhr in der Früh wieder einen Antrag mit der Bitte um eine Krankmeldung für diesen Tag, wieder mit Begründung und der gleichzeitigen Bitte für eine Arztvisite.
Dann ging ich hoch in Richtung Zelle und da kamen auch Gefangene zu mir. Da erst habe ich erfahren, was an dem Freitag genau passiert ist.
Der Stationsbeamte ist am Abend mehrfach bei mir gewesen und sagte zu Inhaftierten draußen auf dem Gang, dass ich nicht mehr ansprechbar bin und auf nichts mehr reagiere.
Er muss auch öfter in der Zelle gewesen sein, weil er sicher gehen wollte, dass ich noch atme. Er versuchte jemanden von der Arztgeschäftsstelle zu erreichen, allerdings nicht von unseren Haus sonder vom Haus 4 und Haus 6, die auch sofort kamen. Anwesend sollen gewesen sein zwei Arzthelferinnen und zwei Arzthelfer, die Blutdruck und Zucker gemessen hätten.
Auch sie stellten fest, dass ich nicht mehr ansprechbar bin und der Beamte machte sie auch mehrfach darauf aufmerksam und das er mich so noch nie erlebt hätte und kennt. Im Beisein von mehreren Gefangenen muss ein Sani gesagt haben:
„Das überlebt er schon.“
Mein Stationsbeamter muss sichtbar unzufrieden gewesen sein, sowohl über die Aussage, als auch die Untersuchung, da er mehrfach nur den Kopf geschüttelt hat.
Man legte mir lediglich eine Tüte mit Medikamenten auf den Tisch.
Dann erzählte mir der Zentralreiniger, dass er und ein weiterer muslimischer Gefangener sich um mich kümmerten. Sie versuchten mir trinken zu geben und machten Rühreier. Sie haben versucht mich etwas aufzurichten und mit Essen zu füttern. Er sagte auch: Andi, du bis komplett bewusstlos gewesen und wir haben uns wirklich Sorgen um dich gemacht. Ich habe mich ganz herzlich bei beiden bedankt, dass sie sich um mich kümmerten.

Am Mittwoch gab ich wieder wie gewohnt wieder einen Antrag in der Arztgeschäftsstelle ab, mit der Bitte um eine Krankmeldung und Begründung.
Am Donnerstag das aller gleiche: einen Antrag mit der Bitte um Krankmeldung und Begründung.
Am Freitag, den 23. November 2024 sagte der Beamte am frühen Morgen um sechs Uhr, dass ich heute eine Arztvisite hätte und ich dachte mir nur, ein absoluter Hammer, eine Woche später komme ich erst zum Arzt.
Als ich beim Arzt gewesen bin, erzählte ich diesem, was eine Woche vorher gewesen ist und, dass es mir nicht gut geht.
Weiter sagte ich, dass ich seit diesem Tag auf dem linken Ohr nichts mehr höre und meine linke Hand taub ist.
Er untersuchte mich und meinte, dass er neurologisch nichts erkennen bzw. feststellen kann und wegen meinem Ohr schickt er mich zum Hals-Nasen-Ohrenarzt.
Wegen der Hand meinte er, dies müsse man weiter beobachten.
Dann ging ich wieder.

Es sollte ca. zwei Wochen dauern bis ich zum Hals-Nasen-Ohrenarzt kam.

Bis zu diesem Termin gab ich jeden Morgen einen Antragsschein in der Arztgeschäftsstelle ab, mit der Bitte um Krankmeldung und der Begründung, dass ich auf dem linken Ohr nichts mehr höre und in der linken Hand kein Gefühl mehr besitze.
Am 04. November als ich beim Hals-Nasen-Ohrenarzt gewesen bin, machte dieser ein paar komische Tests und sagte, dass er auch nicht genau wüsste, was ich habe und vielleicht ist es nur eine Entzündung.
Er ordnete einen Hörtest für den nächsten Tag an, welchen ich auch machte.
Bis heute, den 11. Dezember 2024 gab ich jeden Morgen um ca. 06.30 Uhr einen Antrag in der Arztgeschäftsstelle ab, mit der Bitte um Krankmeldung für diesen Tag und der Begründung, mit gleichzeitigen Bitte um einen Arzttermin.

Heute, also den 11. Dezember, kam ich zu einer Arztvisite und es ist ein Arzt gewesen, welchen ich nicht kannte. Er meinte, dass er meine Krankenakte durchgelesen hat und auch das mit Italien.
Dann fragte er mich was ich für ein Problem hätte und ich erzählte es von Neuem.
Er meinte, Sie haben doch Epilepsie und es könnte durchaus davon kommen und vielleicht müssten die Medikamente erhöht werden.
Dann sagte er weiter, fast vorwurfsvoll, nachdem ich ihm dass mit dem Ohr und der Hand erzählte: Herr Krebs, was meinen Sie was das für ein Aufwand ist, wenn ich sie jetzt in das Haftkrankenhaus nach Plötzensee auf die neurologische Station überweise – die langwierige Untersuchung und mit Pech vielleicht eine Operation im Krankenhaus ?

(ich bin sprachlos gewesen, als ob er das aus seiner Tasche bezahlen muss)
Natürlich glaubt er mir das, was ich geschildert habe, aber ich habe so eine lange Haft und vielleicht ist es auch psychosomatisch?
Er weiß auch sonst nicht, was er sagen soll und hat keine Diagnose parat. Ich sagte ihm, dass ich nicht arbeiten kann, weil ich nichts fühle.
Er fragte, wo ich arbeite und meinte dann nur:dann gehen sie eben nicht in die Arbeit. Aber ich könne ja einen Besen halten und kehren und somit wünschte er mir noch einen schönen Tag.

Ich bin sprachlos über das Alles!

Selbst bei der Arztvisite am 22. November fragte ich den Arzt, ob denn die Sanis, die mich eine Woche zuvor in meiner Zelle aufsuchten, etwas im PC bzw. in meiner Krankenakte festgehalten hätten, worauf er sagte, nur Blutdruck etc.
Ich hielt ihm auch vor, dass ich nicht verstehe, dass man kein Blut genommen hat oder auf Drogen untersuchte. Es hätte ja sein können das ich eine Überdosis Drogen genommen habe. Aber nichts dergleichen wurde getan und man hat mich einfach so, in diesen Zustand in meiner Zelle gelassen.
Am 22. am Abend kam der Beamte bei mir vorbei, der an diesem Tag, an dem ich nicht mehr ansprechbar in meiner Zelle lag, Dienst hatte und fragte wie es mir geht. Er und ich und auch andere Inhaftierte sind uns einig, man hätte einen Arzt hinzu rufen müssen bzw. einen Krankenwagen in diesen Augenblick.

Selbst an diesem 15. November müssen Inhaftierte zum Stationsbeamten gesagt haben, dass man eigentlich einen Krankenwagen hätte rufen müssen.
Ich verstehe meinen Stationsbeamten, dass er nur öfters den Kopf geschüttelt hat, als mich die Sanis oberflächlich untersuchten und die dumme Aussage machten, dass ich es überleben würde. Wie soll er sich durchsetzen gegenüber vier Arzthelfern, die qualifiziert sind und er nur für die Sicherheit und Ordnung zuständig ist.

Nun kann sich jeder selbst seinen Teil Denken, der das liest.
Meine Hand ist weiter taub und ich höre auf dem linken Ohr nichts.

Es gibt Menschen wie Jutta, die sich nun wirklich in der Medizin etwas auskennen, und auch Beamte, die vermuten, dass ich einen leichten Schlaganfall gehabt haben könnte.
Und so geht es nicht nur mir, sondern vielen anderen Menschen in der JVA Tegel!
Die medizinische Versorgung ist unter aller Sau!
Nicht jeder Arzthelfer ist schlecht, aber die, welche an diesem Abend bei mir gewesen sind, prangere ich wegen unterlassener Hilfeleistung an und ebenso die Ärzte, wie am 22. November und heute, den 11. Dezember 2024.

Als ich meiner Sozialarbeiterin von diesen Tag berichtete und auch einer Beamtin, waren sogar diese sprachlos.
Alles was ich hier geschrieben habe, kann ich durch Zustimmung von Mitgefangene beweisen und es würden sich einige als Zeuge zur Verfügung stellen.
Morgen werde ich wieder einen Antrag abgeben, mit der Bitte um eine Krankmeldung und der dazugehörigen Begründung, und so muss das jeder Inhaftierte machen.
Wem es nicht gut geht der gibt einen Antrag ab, über Monate sogar, ohne dass man zu einer Arztvisite vorgeführt wird oder jemand vom medizinischen Personal hellhörig wird und sich Gedanken macht, was denn mit dem Gefangenen los ist.
Vielleicht noch kurz zur Info. Ich wurde mittlerweile öfters von jemanden aus dem Anstaltsbeirat besucht, die sich ebenfalls der Sache annehmen werden.
Dennoch muss über die Zustände hier in Tegel mehr berichtet und Öffentlichkeitsarbeit betrieben werde‚ damit sich endlich etwas bessert.

Herzliche Grüße
Andreas