Am 4. März 2022 steht unsere Gefährtin vor Gericht. Ihr wird vorgeworfen am 1. Mai 2020 eine Flasche auf Polizeibeamt*innen geworfen zu haben.
Der 1. Mai 2020 war etwas Besonderes. Es war das erste Corona-Jahr und geprägt von den eigenen Unsicherheiten wie ein solidarischer, gleichzeitig herrschaftskritischer Umgang mit der Pandemie zu finden sei oder einem ganzen Sammelsurium an staatlichen Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen begegnet werden kann. Eine dieser Maßnahmen war eines der ersten generellen Demo- und Versammlungsverbote in Berlin. Was mit der Eindämmung der Corona Pandemie begründet sein mochte, war natürlich ein willkommener Anlass für den Staat unliebsame Versammlungen wie die „Revolutionäre 1. Mai“ Demonstration komplett zu verbieten. In den Monaten März, April 2020 beugten sich viele linke und anarchistische Menschen und Gruppierungen den Restriktionen und folgten plötzlich einer staatlichen Aneignung und Verdrehung des Solidaritätsbegriffs. Umso besser, dass sich dann am 1. Mai 2020 doch einige tausend Menschen dezentral auf der Straße zusammen fanden. In jenem Jahr gab es keine zentrale Demonstration, aber mehrere Anlaufpunkte, die im Laufe des Abends veröffentlicht wurden. Mal kamen an einem Ort mehrere hundert Menschen zusammen und zogen für einen Moment gemeinsam als Sponti los, mal waren es nur sehr kurze Augenblicke, in denen sich die Straße genommen wurde. Insgesamt war es doch ein äußerst kreativer und weniger routinierter 1. Mai, als wir ihn sonst in dieser Stadt gewohnt sind.
Im Rahmen dieses 1. Mai ist unsere Gefährtin fest genommen wurden. Knapp zwei Jahre später nun, soll sie sich vor Gericht verantworten mit dem Vorwurf eine Flasche auf Bullen geworfen zu haben.
Wie so oft dienen als Grundlage für die Anklage die Aussagen zweier Polizeibeamte. Es scheint, dass auch dieser Prozess sich in eine lange Reihe von 1. Mai Prozessen einreiht, die grundsätzlich immer gleich verlaufen, da nach der Festnahme stets die Aussagen von zwei oder drei Polizeibeamtinnen gegen die Angeklagten stehen. Andere Beweise braucht das Gericht eigentlich selten, um Menschen zu verurteilen, wenn professionelle Polizeizeuginnen ihre einstudierten Aussagen abliefern.
Der Polizei wird vor Gericht eine Neutralität zugesprochen, die sie vermeintlich besonders glaubwürdig macht. Als hätte die Polizei keine eigenen Interessen, welche sie auch in politischen Verfahren verfolgen, insbesondere in Verfahren rund um den 1. Mai.
Besonders an diesem Datum muss immer eine Quote von Festgenommen erzielt werden. Je nachdem wie militant bzw. aufregend der jeweilige 1. Mai ausgefallen ist, steigt der Verurteilungsdruck. Die massive Polizeipräsenz und Festnahmequote ist eine der staatlichen Strategien zur Befriedung des 1. Mai. Deswegen ist es umso schöner zu sehen, dass der 1. Mai in den letzten zwei Jahren wieder mit mehr politischem Inhalt gefüllt wurde und sich viele Menschen tatsächlich Gedanken um die Gestaltung dieses Tages gemacht haben.
Wir freuen uns auf den diesjährigen 1. Mai.
Der Prozess findet am 4.3.2022 um 11 Uhr am Amtsgericht Moabit statt im Raum 671. Am gleichen Tag ist außerdem der Prozess einer anderen Gefährtin, die wegen ihres Berufungsverfahrens zur Rigaer Demo am 9. Juli 2016 vor Gericht gezerrt wird.
Kommt zur solidarischen Prozessbegleitung, lassen wir die Betroffenen von Repression nicht allein.
Solidarität ist eine Waffe!