
Wir veröffentlichen hier ein paar Zeilen von Andreas Krebs, die vor allem die ersten Eindrücke im Knast beschreiben. Vor allem in Zeiten, wo erneut viele Menschen, auch für ihre politische Tätigkeit im Knast kommen, müssen wir uns als Bewegung mit der Thematik Knast und Repression mehr auseinandersetzten. Daher möchten wir uns an dieser Stelle bei Andreas für den Einblick bedanken und fordern alle Genoss:innen dazu auf, das Schreiben als solidarische Praxis Arbeit im Alltag nicht zu vergessen.
Ich hoffe dass ich mit den folgenden Ratschlägen dem ein oder anderem etwas die Angst nehme, der selbst noch nie Inhaftiert gewesen ist und welches Prozedere dieser in den ersten Stunden durchlaufen muss.
Die Ängste und Sorgen komplett zu nehmen, das geht nicht. Diese bleiben, und sie bleiben bis zum letzten Tag.
Ein Mensch, ob Frau oder Mann, der das erste mal durch die Polizei in eine Haftanstalt überstellt wird, egal aus welchen gründen auch immer, ob U-Haft, offene Geldstrafe oder eine bereits verurteilte Freiheitsentziehung, ist beim einfahren durch die Bullen komplett verstört, der Person kreisen tausende von Dingen durch den Kopf und noch schlimmer ist es, wenn derjenige seine Angehörigen noch nicht einmal verständigen konnte.
Der Betroffene wird der Bediensteten oder dem Bediensteten übergeben und man kommt erst einmal in einen Warteraum. Kein Betroffener brauch sich über diese wahnsinnige Angst schämen, den dass ist absolut normal und nachvollziehbar.
Es kann innerhalb einer halben Stunde bis zu einer Stunde dauern wo man dann zur Bekleidungskammer gebracht wird und dass ist eigentlich der erste erniedrigende Augenblick wo einen Menschen die Schamröte ins Gesicht steigt.
Ich rate in diesen Augenblick , und ich spreche hier aus eigener Erfahrung, das zu tun was die Bediensteten anweisen. Ein Widerstand hat die Konsequenz, dass an dem Menschen Gewalt angewendet wird, egal ob Mann oder Frau.
Von den jeweiligen Inhaftierten wird verlangt sich bis auf die Unterhose auszuziehen. Bei Drogenverdacht muss man auch die Unterhose ausziehen. Die Männer müssen ihre Hoden anheben, dazu leichtes Bücken für den Einblick in die Ritze. Anschließend werden beide Fußsohlen sowie gespreizte Finger kontrolliert, ob irgend etwas dazwischen ist. Es wird auch in den Mund gesehen,
in besonderen Fällen an Arschlöcher von Bullen sogar mit einer Taschenlampe. Jemand der lange Haare hat, muss diese vor den Beamten durchschütteln, damit auch da nichts versteckt ist. Die Kleidung welche man an hatte, wird ganz genau kontrolliert. Uhren ab einen bestimmten Wert bleiben bei der Hauskammer. Aber jeder Inhaftierte hat das Recht seinen Ehering oder Verlobungsring behalten zu dürfen.
Anschließend bekommt der Gefangene eine Grundausstattung an Bettwäsche, Decke, Essgeschirr und sollte der Gefangene Geld dabei haben, wird dies sofort auf seinem Haftkonto Gutgeschrieben.
Sollte ein TV-Leihgerät zur Verfügung stehen und die Beamten sind gut gelaunt, bekommt der Gefangene auch sofort ein TV-Leihgerät. Ein TV-Gerät ist am Anfang sehr sehr wichtig. Denn sonst wirst du in eine Zelle verlegt wo nichts ist und absolute stille herrscht.
Nach der Hauskammer werden von dem Inhaftierten noch alle Merkmale wie Tattoos und Narben ganz genau Dokumentiert und Fotos aus drei verschiedenen Winkeln angefertigt.
Sobald dieses Prozedere durchlaufen ist, bringt der Gefangene alles auf seinen Haftraum welcher ihm zugewiesen wird und wird zuerst dem Arzt oder Ärztin vorgestellt. Die notieren alles. Leute, ein guter Tipp von mir, redet Klartext, sagt ruhig das ihr etwas zur Beruhigung benötigt, oder was leichtes zum Schlafen. Sagt auch ruhig und offen wenn ihr ein Problem mit Drogen habt, bzw. ohne.
Man wird eine Urinprobe nehmen und diese auf Drogen untersuchen. Wenn jemand etwas an starken Substanzen genommen hat und im Urin sichtbar, dann wird man euch auch sofort auf ein Substitutionsprogramm setzen und wo ihr täglich unter Aufsicht diese Droge bekommt. Anschließend wird die Lunge geröntgt und eventuell auch Blut genommen, letzteres nicht in jeden Fall.
Wenn man Glück hat, kommt man am gleichen Tag noch zu einen für den Inhaftierten zuständigen Sozialdienst, dort bekommt man dann die Möglichkeit seine Angehörigen anzurufen und alle weiteren Informationen.
Wer Geld besitzt, sollte sofort ein Telio Telefonkonto beantragen und sich die wichtigsten Telefonnummern eintragen lassen.
Wichtig, geht jeden Tag in den Hofgang und tauscht Euch mit anderen Inhaftierten aus, wo ihr weitere Informationen bekommt, wie Einkauf und so weiter.
Die erste Woche wird für jeden ein absoluter Alptraum sein und wenn ihr in eurer Zelle seit und euch ist zum heulen, dann tut es einfach, manchmal ist es auch ein Stück Befreiung.
Versucht euch einen eigenen Tagesablauf zu schaffen und versucht soviel es geht und die Kohle her gibt, zu Telefonieren. Das hilft ungemein. Den größten Halt hat man, wenn man von draußen Unterstützer hat die einen beistehen und dem Betroffenen Post schicken.
Für mich wahr es innerhalb der Knastmauern zuerst sehr schwierig, da man nie wusste wenn man trauen konnte und wie gesagt, das schlimmste in den ersten Wochen war die ganze Verunsicherung und man noch lange von dem ganzen System eingeschüchtert gewesen ist.
So empfand ich zumindest meine erste Haft.
Und wer mein Buch gelesen hat, der weiß dass man auch mit dem Gedanken Flucht spielt und auf die Abenteuerlichsten Ideen kommt. Allerdings war es zu meiner Zeit noch eine viel viel härtere Haft. Was aber die Erstaufnahme betrifft wenn man das erste mal in den Knast kommt, hat sich nicht das geringste geändert.
Was ich jeden auch noch empfehlen kann, auch wenn man keinen Glauben hat, wendet euch an die evangelischen Anstaltsgeistlichen, die immer helfen soweit es ihnen möglich ist, ob Telefonieren oder auch mit Tabak. Ich habe die Erfahrung gemacht dass die evangelischen Geistlichen viel lockerer sind als die Katholiken. Die Evangelischen sind in der Regel wirklich immer Hilfsbereit.
Doch wie gesagt, die Zugangsuntersuchung ist so ziemlich das erniedrigtes was ich jemals erlebt habe, egal ob es eine Frau oder einen Mann betrifft, beide Geschlechter machen die gleiche Tortur durch. Wer sich dagegen wert, wird unmittelbarer Zwang angewendet, und das dürfen sie leider auch, eine Zwangsentkleidung.
Wem eine Haft androht, der sollte sich auf diese Dinge gefasst machen. Der einzige Vorteil in Berlin ist, das Mensch seine Privatkleidung bekommt und natürlich nach Freischaltung eines Telio-Konto und zehn Telefonnummern (in der JVA Moabit jedenfalls) freischalten lässt und somit den Kontakt zur Außenwelt aufrecht hält. In Strafhaft kann man jeden Anrufen, da gibt es keine Freischaltung von Telefonnummern.
Ich wünsche einen jeden den es treffen sollte oder die Befürchtung hat, dass demjenigen dies Passieren kann, ganz viel Stärke, meine ganze Solidarität und Anteilnahme.
Und gerne kann mich jeder Kontaktieren, der Fragen hat, der die Befürchtung hat dass dies auf ihn bzw. sie zukommen kann oder aber auch schon in Haft sitzt. 1
Ich hoffe ich habe einen kleinen Einblick davon gegeben was gerade am Anfang das wirklich schlimmste ist.
An alle die herzlichsten Grüße
Euer Andreas
Andreas Krebs
JVA Tegel
Seidelstraße 39
13507 Berlin
1(Anmerkung von der Roten Hilfe Berlin) Schreiben ist sehr wichtig. Denkt daran, dass mitgelesen werden kann und auch wird.