Rede von Death in Custody
Ich grüße euch im Namen der Recherchegruppe Death in Custody. Wir treffen uns hier, weil heute vor zwei Jahren wieder ein Mensch durch die Polizei getötet wurde, der eigentlich Hilfe gebraucht hätte.
Wir dokumentieren viele solcher Todesfälle in Gewahrsamsituationen. Das sind Todesfälle, die in den Pressemitteilungen der Polizei und in den Medien gerne als isolierte, plötzliche ‚Einzelfälle‘ dargestellt werden. Doch das sind keine Einzelfälle, ganz im Gegenteil: Bislang verzeichnen wir unter doku.deathincustody.info über 250 Todesfälle bei denen rassistische Hintergründe nicht auszuschließen sind. Besonders gefährdet sind Menschen, die in psychischen Ausnahmezuständen sind: Die Polizei ist häufig nicht kompetent, solche Situationen so zu lösen, dass die Betroffenen sie überleben.
Wir gedenken daher heute nicht nur Medard Mutombo, sondern all der Menschen, die durch Polizei- und Staatsgewalt getötet wurden. Exemplarisch möchte ich euch von einigen der Todesfälle erzählen, die sich allein dieses Jahr ereignet haben. Diese Menschen sind hier heute zu nennen, denn sie befanden sich vor ihrem Tod in einer psychischen Krise. In manchen dieser Fälle war ihr Umfeld überfordert, oder besorgt es könne ihnen etwas zustoßen. Sie riefen deshalb die Polizei zu Hilfe. Doch es kam keine Hilfe, es kam der Tod.
Wir gedenken des aus Guinea geflüchteten Ibrahima Barry, der am 6. Januar 2024 in einer psychischen Krise war, als die Polizei in Mülheim Tasergewalt gegen ihn einsetzte, die er nicht überlebte. Er war 26 Jahre alt.
Wir gedenken eines Mannes mit argentinischer Staatsangehörigkeit, den die Polizei am 30. Januar 2024 in der Nähe von Frankfurt erschoss. Er war 46 Jahre alt und befand sich in einer psychischen Ausnahmesituation.
Wir gedenken Lamin Touray, den die Polizei in Nienburg am 30. März 2024 mit acht Schüssen tötete. Er war 46 Jahre alt. Der gebürtige Gambier war in einer psychischen Ausnahmesituation, seine Freundin rief deswegen einen Krankenwagen, um medizinische Hilfe zu bekommen – stattdessen kam die Polizei mit vielen Beamt*innen. Sie lehnten Angebote der Freundin ab, Lamin Touray zu beruhigen und hetzten stattdessen einen losgeleinten Polizeihund auf ihn.
Die Polizei behauptete später, Lamin Touray habe seine Freundin mit einem Messer bedroht, was in der Presse vielfach unkritisch wiedergegeben wurde. Dem widerspricht die Freundin. „Statt zu helfen, haben sie ihn wie ein Tier im Wald erschossen“ sagte sie im Interview mit der Taz.
Wir gedenken eines polnischen Gefangenen, der am 19. Juni 2024 in der JVA Wolfenbüttel durch sog „Suizid“ starb. Er war 35 Jahre alt. Sein Name ist uns nicht bekannt. Obwohl die Selbstgefährdung des Mannes bekannt war, war er alleine in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht. Von dieser Isolierung wird bei Menschen in Krisen abgeraten. Stattdessen sollten sie in klinischen Einrichtungen untergebracht werden. Psychologische oder psychiatrische Behandlung stand dem Gefangenen in der JVA offenbar nicht zur Verfügung. Obwohl der Haftraum unter durchgängiger Videoüberwachung steht, stellte das JVA-Personal die tödliche Strangulation erst fest, als es schon zu spät war.
Und wir gedenken Kupa Ilunga Medard Mutombo, der am 6. Oktober 2022 in Berlin infolge eines gewaltsamen Polizeieinsatzes starb. Er wurde 64 Jahre alt.
In wenigen Tagen, am 10. Oktober 2024, ist der world mental health day: dieser Tag weist darauf hin, dass die Gesellschaft, in der wir leben, Menschen krank macht. Sie an den Rand und in die Verzweiflung drängt. Menschen in solchen psychischen Ausnahmezuständen laufen besonders Gefahr bei Polizeieinsätzen getötet zu werden, in Gewahrsam oder in Knästen ihr Leben zu verlieren oder durch Gewalt bei psychiatrischen Zwangbehandlungen getötet zu werden.
Heute treffen wir uns, um dieser Menschen zu gedenken und, um unserem Zorn Ausdruck zu verleihen.
Der Bruder von Kupa Ilunga Medard Mutombo wurde erst sieben Tage nach dem Vorfall vom Krankenhaus benachrichtigt. Er ist heute hier. Er fordert gemeinsam mit ReachOut die sofortige Suspendierung aller am Einsatz gegen Kupa Ilunga Medard Mutombo beteiligten Polizeibeamt*innen. Dieser Forderung schließen wir uns an. Wir wollen unser Beileid ausdrücken und zum Beispiel mit dieser Kundgebung zeigen, dass wir dieses himmelschreiende Unrecht nicht unwidersprochen lassen werden.
Wir fordern gemeinsam mit Mutombo Mansamba eine lückenlose Aufklärung der Todesumstände, Konsequenzen für die Verantwortlichen und ein Ende des Tötens von Menschen in psychischen Ausnahmesituationen!
No Justice No Peace!
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