Rede vom Wrangel Kiez United
Hi,
ich bin von Wrangelkiez United! und wir thematisieren seit ein paar Jahren Racial Profiling und rassistische Polizeigewalt bei uns im Wrangelkiez und im Görli….
Danke an die Leute, die diese Kundgebung organisiert haben, danke, das ich hier heute ein paar Worte sagen kann.
Zunächst gilt unser Mitgefühl den Hinterbliebenen und insbesondere dem Bruder von Medard Mutombo, der sich unermüdlich für die Aufarbeitung der Todesumstände einsetzt.
Medard Mutombo rstarb am 6. Oktober 2022. Ein Augenzeuge berichtete, wie er drei Wochen zuvor von Polizist*innen unter Einsatz von Gewalt in eine psychiatrische Einrichtung gebracht werden sollte. Dabei kniete sich ein Polizist auf den Nacken von Medard Mutombo, er wurde ohnmächtig, fiel ins Koma und verstarb drei Wochen später.
Nicht nur, dass die Polizei die denkbar schlechteste Institution ist, um sich mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen zu beschäftigen: immer wieder lesen wir von Todesfällen bei Polizei-Einsätzen im Zusammenhang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. Für solche Situationen braucht es multiprofessionelle Einsatzteams, die für solche Situationen geschult sind und nicht die Polizei!
Wir beobachten immer wieder nicht nur bei uns im Wrangelkiez und im Görli, wie Menschen mit einem Knie auf dem Hals oder im Nacken von der Polizei fixiert werden. Mit der Ermordung von George Floyd im Mai 2020 geriet diese tödliche Polizeipraxis in den Blickpunkt einer kritischen Öffentlichkeit, und das zurecht, denn ein Knie auf dem Hals oder im Nacken ist lebensgefährlich!
Im August 2022 haben wir selber bei uns im Wrangelkiez beobachtet wie Polizisten eine Schwarze Person solange mit einem Knie im Nacken und im Rücken fixiert haben, bis er ohnmächtig wurde. Vorher hat er über mehrere Minuten vor Schmerzen geschrien, die Polizisten ignorierten das und machten weiter. Er kam ins Krankenhaus und hat zum Glück überlebt.
Nach diesem Vorfall waren wir so schockiert, dass wir Kontakt zu solidarischen Abgeordneten gesucht haben. Mit einer kleine Anfrage wollten wir die Hintergründe beleuchten: Dabei haben wir erfahren, dass diese polizeiliche Praxis, Menschen mit einem Knie im Nacken oder auf dem Hals zu fixieren, gar nicht Teil der Polizei-Ausbildung ist!
Dennoch wird sie immer wieder angewendet und die Gesundheit und das Leben der von Polizeigewalt betroffenen Menschen wird aufs Spiel gesetzt. Immer wieder sind vor allem People of Colour, Schwarze Menschen, obdachlose und psychisch beeinträchtigte Menschen davon betroffen. Und häufig werden Überlebende dieser lebensgefährlichen Polizeigewalt hinterher noch juristisch angegangen, denn sie hätten Widerstand geleistet. Dabei ist völlig klar, dass sich Menschen in Todesangst winden und drehen und versuchen, sich aus dieser Lage zu befreien. Diese Ermittlungen wegen angeblichen Widerstand sind eine niederträchtige Täter-Opfer-Umkehr!
Der Journalist Ronen Steinke hat recherchiert, dass jede Form von Polizei-Gewalt (oder „unmittelbarem Zwang“, wie es in der Polizeisprache heißt) nur legal ist, wenn sie „geeignet, erforderlich und verhältnismäßig“ ist, um z. B. eine verdächtige Person festzunehmen. Das Fixieren des Kopfes ist nicht grundsätzlich unzulässig, aber: Hals und Wirbel sind tabu. Das lernen Polizist*innen im Einsatztraining. Die Gefahr von Wirbelverletzungen ist zu groß, denn es entsteht schnell ein Erstickungsrisiko. Nach einer Reihe von Todesfällen in den USA ist hier auch die sogenannte „Bauchlagenfesselung“ untersagt. Gemeint ist, dass sich ein Beamter auf den Rücken eines Gefesselten kniet. Da so die Lunge gestaucht wird, besteht ein hohes Risiko zu ersticken.
Gewalt darf bei der Polizei sowieso nur als letztes Mittel und so wenig wie erforderlich zum Einsatz kommen.
Trotzdem ist diese lebensbedrohliche Praktik, Menschen mit einem Knie im Nacken zu fixieren, weiterhin Teil polizeilichen Handelns und immer wieder zu beobachten. Wir fragen uns warum, wenn die Ausbildung und Rechtslage so klar sind? Welche Rolle spielen Rassismus und diskriminierende Einstellungen? Handelt es sich um ein strukturelles Problem?
Ein zusätzliches Problem ist, dass offiziell nur dokumentiert wird, wenn Menschen bei Polizeieinsätzen durch Schüsse getötet werden. Von den anderen, die durch Einsatz von körperlicher Gewalt, Pfefferspray, Taser oder auch auf ungeklärte Weise sterben, erfährt die Öffentlichkeit wenn überhaupt nur durch Presseberichte, parlamentarische Anfragen, Angehörige, Augenzeug*innen oder Kampagnen wie Death in Custody, die Todesfälle im Kontext polizeilichen Handelns dokumentieren.
Eigentlich sollte es zu den Grundlagen eines Rechtsstaats gehören, dass das Handeln der Polizei kontrolliert wird. Solange wir als Gesellschaft aber gar nicht genau wissen, wie häufig, wo und in welcher Form die Polizei Gewalt einsetzt, ist eine Kontrolle polizeilichen Handelns gar nicht möglich.
In der Folge wird fast nie eine verantwortliche Person für diese Handlungen zur Rechenschaft gezogen. Im Gegenteil, die Betroffenen von Polizeigewalt werden sogar noch angeklagt und mundtot gemacht.
Wichtig wäre es daher, endlich unabhängige Ermittlungen zu gewährleisten!
Und noch wichtiger ist es, People of Colour und Schwarzen Menschen bei Polizei-Kontrollen zu unterstützen und als Zeug*innen vor Ort zu bleiben, Fotos zu machen oder mit etwas Abstand zu Filmen! Diese Aufnahmen sind als unabhängige Beweismittel sehr wichtig!
Nehmt anschließend Kontakt zu den Betroffenen auf, denn solche Situationen sind traumatisierend und Betroffene brauchen unsere Unterstützung!
Und bitte veröffentlicht eure Fotos oder Videos nicht einfach in den Sozialen Medien sondern meldet euch bei KOP (der Kampagne für die Opfer rassistischer Polizeigewalt) oder Reach-Out und stellt euch als Zeug*innen zur Verfügung!
Danke euch für eure Aufmerksamkeit!
(Seite 1): Zusammenfassung
(Seite 2): Mutombo Mansamba
(Seite 3): Wrangel Kiez United
(Seite 4): Death in Custody