Zusammenfassung und Redebeiträge der Demo 2024 in Gedenken an Ferhat Mayouf

Veröffentlich am 24.10.2024

Reden von Thomas Meyer-Falk

Suizid im Knast- ist immer auch Ausdruck der Hilflosigkeit und Perspektivlosigkeit von Menschen, die es schon vor der Haft oftmals schwerer hatten als andere.

Suizid im Knast- bedeutet nicht nur, dass ein Leben sein vorzeitiges Ende genommen hat, sondern berührt und betrifft immer auch das soziale Umfeld: die Mitgefangenen auf der Station, die Mitgefangenen im selben Knast. Gefangene in anderen Knästen die davon erfahren. Betrifft die Freundinnen und Freunde außerhalb der Mauern. Betrifft die Angehörigen.

Suizid im Knast- lässt damit auch all jene die weiterleben zurück. Die den Verlust lernen müssen in ihr Leben zu integrieren, ohne selbst den Mut zu verlieren.

Suizid im Knast- verkörpert die innere Zerrissenheit von Menschen die in einem unmenschliches System gefangen gehalten werden. Leben wollend- aber nicht unter diesen Bedingungen eines Knastsystems.

Suizid im Knast- ist der allerletzte Hilferuf. Ohne die Möglichkeit dann noch helfen zu können. Denn der Suizid ist endgültig!

Suizid im Knast-ist mir selbst immer wieder begegnet. Langjährige Wegbegleiter die sich erhängt, die Halsschlagader aufgeschnitten oder eine Überdosis gedrückt haben. Manche ohne jede Perspektive einer zeitnahen Freilassung. Andere die kurz davor standen Vollzugslockerungen zu bekommen.

Suizid im Knast- kann trotz allem eine allerletzte Form von Selbstermächtigung sein.


Das Gefängnis saugt den Menschen den Lebenssaft aus. Wenn die Kraft zu Ende geht, folgt viel zu oft die Selbsttötung. Ich denke in diesem Moment nicht nur an Ferhat Mayouf, sondern auch an Steve: er nahm sich Anfang 2023 in der JVA Freiburg das Leben. Mitten in der Nacht erhängte er sich in seiner Zelle. Was Steves Tod so speziell macht: es war eine Gefängnispsychologin die Steve einmal den Rat mit auf den Weg gab, wenn garnichts mehr helfe, könne er sich immer noch -Zitat- „weghängen“! Er hatte sich bei ihr über die aus seiner Sicht ungerechten Haftbedingungen beschwert. Das war dann ihr Kommentar. Sie entschuldigte sich anschließend. Als er aber, zusammen mit seiner Ehefrau und Adoptivmutter das alles nicht auf sich beruhen lassen wollte, nahmen die Jurist*innen die Sache in die Hand. Und was passierte? Nichts! Die Knastbürokratie verteidigte den Rat der Psychologin. Nun wurde behauptet, es habe sich um eine gezielte, verhaltenstherapeutische Maßnahme der Oberpsychologierätin gehandelt. Nämlich eine sogenannte paradoxe Intervention! Sogar ein psychologisches Lehrbuch mit Seitenangabe fanden die Knastjurist*innen.

Den Zustand von Ohnmacht und Einsamkeit in den letzten Tagen, Stunden, Minuten vor einem Suizid können wir vermutlich nur ansatzweise nachspüren. Dem Gefühl der Verlassenheit steht nichts mehr als Korrektiv entgegen.

Die Zelle wir buchstäblich zum Grab!

In den letzten Jahrzehnten ist die Justiz dazu übergegangen, vielleicht nicht in Moabit, aber in vielen anderen Gefängnissen, diese aufzuhübschen. Hier mal ein bisschen Farbe, dort ein Neubau, dort ein paar Meter Rasenfläche. Das alles macht es aber nicht besser. Es ist nicht mehr als ein Tarnungsprozess: Knäste waren, sind und werden es sein „Stätten in denen Leiden produziert und Leiden aufbewahrt“ wird. Das Aufhübschen dieser Orte dient einzig dem Zweck diese besser vorzeigbar zu machen. Die Wohlfeilen Worte von Resozialisierung und dem Zweck von Strafe sollen zudem verdecken, dass es sich bei alledem lediglich um Rache handelt. Sie heucheln sich ein gutes Gewissen, in dem sie von „Resozialisierung“ sprechen, statt von Rache!

Knäste zerstören die Liebe der Menschen zum Leben und zu allem Lebendigen. Denn Knäste sind Orte der bösartigen Aggression, der Rache. Knäste sind Orte der Disziplinierung, der Dressur von Körper, Geist und Seele.

Das Abenteuer das es bedeutet zu leben, die Offenheit für das was kommen mag, die Fähigkeit sich zu wundern, etwas neues aufzubauen- all das wird systematisch in den Gefängnissen kaputt gemacht. Und wenn die Zerstörungsarbeit beendet ist, überlässt man es noch den Gefangenen den allerletzten Schritt zu gehen: sich das Leben zu nehmen!


(Seite 1): Zusammenfassung
(Seite 2): KOP Berlin
(Seite 3): Benjamin Düsberg
(Seite 4): Andreas Krebs
(Seite 5): Ihr Seid keine Sicherheit
(Seite 6): Thomas Meyer-Falk
(Seite 7): Free Mumia
(Seite 8): Death in Custody

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