Rede von Ihr Seid Keine Sicherheit
Hallo und schön, dass ihr heute so zahlreich hier seid. Ich spreche für die Gruppe Ihr Seid Keine Sicherheit (ISKS). Auch wir trauern um Ferhat Mayouf, der hier vor vier Jahren sein Leben verloren hat.
Wir trauern, und wir sind wütend. Wütend auf die JVA Moabit und die Justizbeamten, die Ferhat nicht geholfen haben, obwohl sie gekonnt hätten. Wütend auf die Richterin, die ihn 23 Tage zuvor in den Knast geschickt hat.
Wir sind wütend, dass Ferhat Mayouf tot ist!!!
Ferhat Mayouf wurde festgenommen, weil ihm versuchter Diebstahl vorgeworfen wurde. Weil er keine Meldeadresse und keinen legalen Aufenthalt hatte, kam er direkt in U-Haft. Wenn Menschen aufgrund von Rassismus und Klassismus in die Kleinkriminalität getrieben werden, kommen sie in Deutschland sehr schnell hinter Gitter. Wir kennen das Problem von der Ersatzfreiheitsstrafe. Über 50.000 Menschen sitzen jährlich im Gefängnis weil sie Geldstrafen nicht bezahlen können. Das ist der häufigste Grund für Inhaftierung!
Ferhat Mayouf wurde noch nicht einmal zu einer Geldstrafe verurteilt, sondern saß nur ein, weil er keine Aufenthaltserlaubnis hatte.
Ferhat Mayouf ist gestorben, weil diese Gesellschaft, und allen voran die sogenannten Sicherheitsbehörden, zutiefst gewaltvoll, rassistisch und ungerecht sind. Er ist gestorben, weil der Rechtsstaat ihn anders behandelt hat als Menschen mit Deutschem Pass. Er ist gestorben, weil er als person of color offensichtlich nicht der Hilfe der Justizbeamten würdig war. Sein Tod war mehr als unterlassene Hilfeleistung. Wenn absichtlich so viele Alarmzeichen ignoriert werden dann ist das Mord!
Die tödliche Gewalt in Gefängnissen und durch Polizei trifft gerade die Menschen, die hier auch sonst unsicher leben. Diejenigen, die rassistisch bedroht werden, die psychische Ausnahmezustände durchleben oder schon an den Europäischen Außengrenzen ihr Leben riskieren. Ihre Unterdrückung und Bestrafung wird darüber legitimiert, dass sie als kriminell und bedrohlich markiert werden. Das sehen wir hier in Berlin auch an den sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten, an denen racial profiling und Festnahmen aufgrund von Bagatelldelikten zur Tagesordnung gehören. Der Görlitzer Park soll umzäunt und nachts geschlossen werden. Hier sollen kriminalisierte Menschen nicht eingeschlossen, sondern ausgeschlossen werden. Auch aus U-Bahnstationen und Freibädern werden Unerwünschte verdrängt. Wir beobachten, wie immer größere Teile des öffentlichen Raumes durch die Polizei und Sicherheitsfirmen kontrolliert und die unsichtbaren Gitter sichtbarer werden.
Die Bewegungsfreiheit wird nicht nur an den Außengrenzen verunmöglicht, sondern zunehmend auch innerhalb unserer Stadt.
Doch für niemanden schafft es mehr Sicherheit, wenn Menschen isoliert, ausgeschlossen oder eingesperrt werden!
Als abolitionistische Gruppe kämpfen wir für eine Gesellschaft, die Sicherheit für ALLE schafft und nicht nur die Privilegien der Priviligierten schützt.
Für eine Gesellschaft, in der Solidarität alltägliche gelebte Praxis ist. In dieser Gesellschaft brauchen wir keine Gefängnisse, keine Grenzen. In dieser Gesellschaft würde Ferhat Mayouf noch leben.
Kein Vergessen, Kein Vergeben! Lasst uns unsere Trauer und Wut auf die Straße tragen!
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(Seite 2): KOP Berlin
(Seite 3): Benjamin Düsberg
(Seite 4): Andreas Krebs
(Seite 5): Ihr Seid keine Sicherheit
(Seite 6): Thomas Meyer-Falk
(Seite 7): Free Mumia
(Seite 8): Death in Custody