Andreas Krebs über Knast und Solidarität

Veröffentlich am 19.07.2024

Wir teilen hier einen Artikel, welchen Andreas Krebs in der JVA Tegel verfasst hat. Er hat diesen an uns und andere gesendet mit der Bitte diesen zu veröffentlichen.


Liebe Lesende,

zuerst einmal Glückwunsch zur Freiheit von Julian Assange!
Fünf lange Jahre ist er den Herrschenden ausgeliefert gewesen, tagtäglich in der Angst an die USA überstellt zu werden. Isoliert in einer der schlimmsten Haftanstalten Englands, wurde er nun endlich entlassen! Das lange Bangen und die Angst um, ihn hat nun endlich ein Ende.

Leider muss ich aber auch feststellen, dass immer mehr Knastprojekte in den Hintergrund geraten. Dies ist nicht nur in Deutschland zu beobachten, sondern auch in anderen Ländern, wie etwa in Österreich, der Schweiz und Italien. Wenn ich heute so zurückblicke, noch vor zehn Jahren, war ein Zusammenhalten sowohl unter den Gefangenen als auch unter den Linken in Freiheit weit größer, als es jetzt gerade ist.

So blicke ich oft auf das Jahr 2013/2014 zurück, wo wir geschlossen in den Hofgang gingen, gemeinsam das Einrücken verweigerten. Oder aber auch nur diskutierten, wie wir zusammen gegen das System aufgrund der Schikane von Bediensteten oder Fehlentscheidungen durch die Obrigkeit vorgehen können.

Vieles haben wir damals somit erreicht und in jeder Haftanstalt in Bayern, wo der Strafvollzug weit schlimmer ist, hat es Schule gemacht.

Heute ist es sehr ruhig unter den Inhaftierten geworden, warum?
Weil wir zu einem großen Teil erpressbar wurden.

Im heutigen Strafvollzug (Bayern ausgenommen) werden Gefangene einfach nur teils ruhig gestellt mit sogenannten Vergünstigungen: wie etwa jeden Tag zum größten Teil uneingeschränktes Telefonieren, egal mit welchen Menschen in Freiheit. Langzeitbesuch mit seinen Liebsten. Vier mal im Jahr eine Ausführung. DVD Player und Musik CD‘s und sogar, wie hier, private Wäsche.

Keiner möchte diese Vergünstigungen verlieren, was natürlich verständlich ist. Leider ist auch ein wachsender Drogenkonsum zu beobachten, was zumindest hier in der JVA Tegel von dem System offensichtlich toleriert und darüber hinweg gesehen wird.

Das System bezeichnet sich selbst als moderner Strafvollzug. Ich bezeichne es, die Menschen hinter den Mauern bei Laune zu halten und damit der Öffentlichkeit genau diesen modernen Strafvollzug zu suggerieren.

In Wirklichkeit werden Menschen einfach nur dumm gehalten! Gefangene, welche die Initiative ergreifen, u.a. ihren Wissensdurst mit einem Handy befriedigen möchten, Dinge hier drinnen beginnen zu hinterfragen, werden mit großen Strafen geahndet.

Lasst uns wieder gemeinsam kämpfen gegen ständige Schikanen seitens des Systems. Das wir ihnen zeigen, dass auch wir Menschen sind, die sich eine vernünftige Lebensperspektive wünschen.

Und die man nicht wie einen Menschen dritter Klasse oder wie ein Tier behandeln kann, gleich welcher Nationalität!

Wir wollen nicht einfach nur von der Gesellschaft weggesperrt werden und sich selbst überlassen sein!

Wir werden von Menschen beurteilt. Menschen, die über uns entscheiden, so wie es u.a. hier in Tegel ist, die selbst kaum Lebenserfahrung haben und nicht das dreißigte Lebensjahr überschritten haben. Die mit uns im Monat gerade einmal ca. zwanzig Minuten sprechen und uns hauptsächlich nur vom Sehen kennen. Diese beurteilen uns als Gefahr für die Gesellschaft und möchten uns am liebsten nie mehr in Freiheit sehen, diese dürfen Schalten und Walten! Stationsbeamte, die die Scheiße ihrer Vorgesetzten und deren Entscheidungen ausbaden dürfen und nicht zu vergessen, die wie wir die Füße still halten müssen!

Ja, eine Lebensperspektive wünschen wir uns alle und nicht zusätzliche Angst. Gerade bei Inhaftierten mit anderer Herkunft, die vielleicht in ein für sie fremdes Land abgeschoben werden.

Ich spreche also hier auch im Namen der Gefangenen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, egal welche Hautfarbe oder Nationalität.

Die Zeit kann man leider nicht zurückdrehen, aber wir können in die Zukunft blicken. Gemeinsam neu durchstarten, ob drinnen oder draußen, zusammen halten, uns gegenseitig stützen und gegen dieses korrupte System kämpfen.

Nur gemeinsam sind wir stark!

In diesem Sinne grüße ich alle Inhaftierten, ob soziale oder politische Gefangene, egal wo auf dieser Welt und auch alle Menschen draußen, die sich mit Anti-Knast Projekten beschäftigen oder beschäftigt haben. Und nicht zu vergessen die Inhaftierten, die sich gerade jetzt in diesem Augenblick in strengster Isolationshaft befinden!

Euer Andreas Krebs


Sein jetziger Gesundheitszustand ist alarmierend. Schreibt ihm, sei es auch nur ein paar solidarische Worte auf einer Postkarte. Selbst wenn diesen einbehalten werden sollten, zeigt ihr den verantwortlichen der JVA, das ihr ihn nicht vergessen habt. Zurzeit werden leider alle gesendet Briefmarken einkassiert. Seid euch auch dessen bewusst, das mitgelesen wird.

Seine Adresse lautet:
Andreas Krebs
JVA Tegel
Seidelstr. 39
13507 Berlin