(Vom 11.02.24)
Der kämpferische Gefangene Andreas Krebs befindet sich seit dem 29.01.24 im Hungerstreik. Damit reagiert er auf die Repression und Schikane der JVA Tegel Berlin. Die JVA versucht unter anderem ihn zu isolieren und weigerte sich, ihm linke Publikationen – wie unter anderem die Gefangenen Info (GI), die Rote Hilfe Zeitung (RHZ) oder sein eigenes autobiographisches Buch „Der Taifun“ – auszuhändigen 1.
In seinem Brief2 an die Anstaltsleitung schreibt er:
„Ich beantrage die Genehmigung und Aushändigung aller […] Dinge. Der Antragsteller begibt sich ab dem 29.01.2024 bis zu einer positiven Entscheidung in den Hungerstreik und wird im Zuge dessen diese Missstände u.a. einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Einen Verhandlungsspielraum wird es diesbezüglich nicht geben.“
Sein Protest löste eine große Welle der Solidarität aus. Unterschiedliche Gruppen und Personen machen seitdem auf seinen Hungerstreik aufmerksam und auch Mitinsassen stehen geschlossen hinter ihm. Andreas selbst gab ein Interview3 und schaffte es sogar einige kurze Videos4 unter die Leute zu bringen, in denen er auch von vielen weiteren Missständen berichtet.
Am 07.02 hatte Andreas ein Gespräch mit einigen Verantwortlichen. Dabei waren die Teilanstaltsleitung, der Sicherheitsbeauftragte und der Hausdienstleiter anwesend. Sie machten ihm einige Zusagen, um ihn zu besänftigten. Es schien, als hätte er einige Teilerfolge erkämpfen können – unter anderem die Aushändigung der Roten Hilfe Zeitung. Doch schon in den nächsten beiden Tagen, zeigte das Knastsystem erneut ihr wahres Gesicht.
Teilerfolg: Zusage für die RHZ, eigenes Buch und andere Unterlagen
Fangen wir mit den scheinbar positiven Nachrichten an. Im Gespräch mit den drei Verantwortlichen wurde Andreas zugesagt, er könne die RHZ ab nun erhalten. Ob dem wirklich so ist, wird sich in Zukunft zeigen. Auch sein Buch „der Taifun“ dürfe er nun offiziell behalten. Auf die Frage wofür er es überhaupt bräuchte, machte Andreas kein Geheimnis draus, dass er an einem neuen Buchprojekt arbeitet und sein Altes dafür braucht. Als sie ihm seine alten Ausgaben der GI wieder geben wollten, lehnte Andreas dankend ab. Er wies darauf hin, dass er diese nicht mehr bräuchte, da er sie im Internet nachlesen konnte und sie diese gerne für ihn entsorgen könnten. Nur einige persönliche Unterlagen bräuchte er wieder, welche ihm während der Haftraumkontrolle vom 15.01.245 aus der Zelle entnommen wurden. Diese bekam er zurück.
Die JVA verhindert Wissensweitergabe, da es nicht teil eines Gedankenaustausch sei
Andreas fragte im Gespräch auch nach, warum zum Beispiel ein Wikipedia Artikel über die JVA Tegel oder auch Informationen zur 125-jährigen Jubiläumsfeier der JVA aus seiner Post entfernt wurde. Die Verantwortlichen erklärten, dass sie im legalen Rahmen handeln würde. Offensichtlich sind beigefügte Informationen ihrer Einschätzung nach nicht Teil eines Gedankenaustausch zwischen Absender und Empfänger und können somit entfernt werden. Dass es im zwischenmenschlichen Austausch üblich ist, sich auch auf Informationen oder Texte von Dritten zu beziehen, scheint aus Sicht der JVA keine Rolle zu spielen. Andreas machte diesbezüglich auch klar, wie sehr durch solche Aktionen den Gefangenen Informationen und Wissen vorenthalten und sie somit an der persönlichen Bildung gehindert werden.
Die GI ist so gefährlich, dass andere sie nicht lesen dürfen
Im Gespräch selber machten die drei Verantwortlichen klar, dass sie die GI und deren Inhalt für grenzwertig halten. Andreas machte daraufhin aus seiner Position und Haltung kein Hehl und betonte, dass er Kontakte zur GI, der Roten Hilfe und anderen Gruppen pflegt. Außerdem wies er darauf hin, dass er in allen Anstalten die er besuchen musste, die GI erhielt. Auf den Einwand der Verantwortlichen, er habe vor Jahren in einer anderen Anstalt Probleme bei der Aushändigung gehabt, machte Andreas klar, dass er auch dagegen rechtlich vorgegangen ist und in der Folge zu seinen Gunsten geurteilt wurde. Insgesamt wurde ihm im Gespräch signalisiert, dass sich um eine Lösung bemüht werde. Wie diese aussehen sollte, erfuhr Andreas zwei Tage später: Er dürfe zwar künftige Zusendungen der GI erhalten, aber nur unter der Bedingung, dass eine schnelle Zensur seitens der JVA ausgeübt werden kann und er die Zeitschrift niemand anderem zeigen oder gar übergeben darf. Es ist unglaublich, wie sehr die GI gebrandmarkt wird und wie hoch die Angst bei den Verantwortlichen sein muss, dass die klare Benennung von Ausbeutung und Repression in Knästen zur Unruhe führen könnte. Im Gespräch am Mittwoch erwähnten sie auch, dass sie befürchten, Andreas würde die Insassen rebellisch machen. Andreas machte klar, dass jede:r nur für sich selbst entscheiden kann, ob und wie er:sie sich gegen das System wehrt.
Wer hat Angst vor dem Schreckgespenst der RAF?
Besonders interessant wurde es in dem Gespräch, als es um die Aushändigung von Kopien eines Buches zur Geschichte der RAF ging, welches viele Erklärungen zu damaligen Aktionen beinhaltet. Die Verantwortlichen erklärten, dass die jetzigen Kopien der Seiten, welche er zuvor in anderen Justizvollzugsanstalten besitzen durfte, ihm nicht ausgehändigt werden. Andreas könne aber einfach einen Antrag für das Buch einreichen. Es ist natürlich anzunehmen, dass die Anstalt Literatur zur RAF, wenn sie nicht hetzerisch und diffamierend ist, nicht einfach durchwinken wird. Alleine die Anträge zur Aushändigung der GI und der RHZ wurden teilweise bis zu fünf Monate nicht bearbeitet.
Anwalt wird von Andreas ferngehalten
Am Freitag, dem 09.02 wollte der Anwalt von Andreas ihn besuchen. Die Dringlichkeit des Austausch mit seinem Anwalt während eines Hungerstreiks müsste jedem klar sein. Doch anstatt ihn zu Andreas zu lassen, wurde der Anwalt mit der Begründung verscheucht sein Mandat sei gerade am arbeiten und könne ihn daher nicht sehen. Andreas selbst wurde nicht von der JVA darüber informiert, sondern erfuhr erst später über private Kontakte davon. Wie kann es sein, das der wichtige Kontakt zwischen Mandat und Anwalt, vor allem in solch einer Situation so gestört wird? Daraufhin stellte Andreas einen Antrag, in welchem er fordert, dass die JVA sich dazu äußert, wie sie darauf kommt seinen Anwalt während der Arbeitszeit des Mandaten fernzuhalten. Es zeigt mal wieder wie sehr sie versuchen Andreas zu isolieren und schikanieren.
Andreas bleibt kämpferisch trotz seines schlechten gesundheitlichen Zustands
Am Mittwoch dem 07.02 war Andreas das letzte mal beim Stationsarzt. Seit dem Beginn seines Hungerstreiks hatte Andreas bis dahin schon vier Kilo Gewicht verloren und auch seine Zuckerwerte waren alarmierend. daraufhin wurde er am nächsten Tag ins Haftkrankenhaus gebracht, wo unter anderem Blut in seinem Urin festgestellt wurde. Der zuständige Arzt empfahl ganz klar weitere Untersuchungen, sollte sein Zustand nicht besser werden. Daraufhin stellte Andreas einen weiteren Antrag, um sich eine zweite ärztliche Meinung bezüglich seiner Nieren einholen zu können. Auch seiner möglichen Zuckererkrankung muss nachgegangen werden. Die Reaktion darauf: Nichts. Seit letztem Mittwoch wurde Andreas weder von einem Stationsarzt aufgesucht, noch wurde sein Gewicht kontrolliert. Zwar kann er seiner Arbeit noch nachgehen, aber jeden Tag fühlt er sich angeschlagener, hat mitunter Schwindelanfälle. Sein Gesundheitszustand ist kritisch, doch er bleibt weiterhin kämpferisch.
Darüber zeigten sich die Verantwortlichen, bei dem Gespräch am Mittwoch etwas überrascht, nahmen sie ihn doch zu Beginn seiner Haftzeit in der JVA Tegel als sehr ruhig wahr. Doch Andreas verdeutlichte, dass sein psychischer Zustand zu diesem Zeitpunkt katastrophal war und er Suizidgedanken hatte. Dank der Therapien die er besuchte und seinem Umfeld draußen konnte er aber zum Glück wieder an Stabilität und Kraft gewinnen. Und genau diese nutzt er momentan während des Hungerstreiks.
JVA fürchtet sich vor Widerstand, Solidarität, Acryl und Aquarell Farben
Zum Schluss sei noch zu erwähnen, dass ein kürzlich von Andreas gestellter Antrag auf Acryl und Aquarell Farben von der JVA am Freitag abgelehnt wurde. Die Begründungen sind haarsträubend und doch gleichzeitig vielsagend:
„1. [Der Gefangene] unterliegt einer zur Unübersichtlichkeit tendieren Haftraumausstattung, die häufige Kontrollen behindert.
2. Die Utensilien geeignet sind linksextremistische Propaganda und Agitation zu unterstützen, indem Zeichen, Symbole oder Aufrufe großflächig auf Papier oder Leinwand gebracht werden um sie sichtbar aufzuhängen zu können, beziehungsweise demonstrativ mitführen zu können.“
Andreas wird in seiner persönlichen Entfaltung komplett eingeschränkt. Malen ist ein wichtige Beschäftigung um sich zu entspannen und sich kurzzeitig von dem dauernden Stress und dem eigenen schlechten Gesundheitszustand abzulenken. Das alles wird ihm verwehrt, weil die JVA lieber „übersichtlichere“ Haftraumkontrollen, wie die am 15.01, durchführen möchte und weil sie Angst vor klaren Worten und Zeichen haben. Auf Nachfrage zu der Entscheidung wurde er vertröstet mit dem Hinweis er müsse sich erstmals beweisen. Heißt wahrscheinlich übersetzt: Klappe zu und die Füße still halten. Auch Langzeitbesuche werden ihm mit der selben fadenscheinigen Begründung aktuell vorenthalten. Doch Andreas hat gegenüber der JVA eine klare Haltung – er wird keine Kompromisse eingehen und widerständig bleiben.
Was bleibt, wie geht es weiter?
Trotz der neuen Schikane und Repression ist nicht von der Hand zu weisen, dass Andreas Widerstand und die Solidarität die er erfährt, Früchte tragen. Die Verantwortlichen sehen sich gezwungen, ihm entgegenzukommen. Es gab viele Veröffentlichungen über seinen Hungerstreik und die allgemeinen Haftbedingungen. Gleichzeitig versuchen die Verantwortlichen, Andreas Protest mit den oben beschriebenen Mitteln zu brechen. Welche Reaktionen auf einmal Malutensilien oder die Gefangenen Info bei in der JVA auslösen ist erstaunlich, aber wenig verwunderlich.
Doch eins muss klar gesagt werden: Wenn Leute im Knast rebellieren, dann liegt es primär nicht an die klare Benennung der Missstände, sondern an den repressiven Umständen die im Knast erzeugt und hochgehalten werden. Dabei ist Repression kein zufälliges Produkt von Gefängnissen, sondern ein elementarer Bestandteil. Einerseits um progressive Bewegungen zu brechen, aber auch um eine Klassenjustiz durchzusetzen, auf Kosten der Freiheit, Gesundheit und gar Leben von vielen. Es ist daher wichtig dagegen zu rebellieren, drinnen, so wie draußen. Andreas hat Jahrzehnte in Haft verbracht, er weiß genau was er zu erwarten hat. Er kämpft gegen das Knastsystem, für eine bessere Zukunft und zwar für uns alle. Umso wichtiger ist es, dass der Druck von draußen durch Aktionen, Veröffentlichungen, Briefe, Postkarten und Anderem aufrechterhalten wird. Zeigt ihm, dass er nicht alleine ist. Denn Widerstand braucht Solidarität und Solidarität ist unsere Waffe.
Free Andreas, Free them all!
Seine Adresse:
Andreas Krebs
JVA Tegel
Seidelstr. 39
13507 Berlin
1https://taz.de/Haftbedingungen-in-Berlin/!5991467/
2https://political-prisoners.net/andreas-krebs-ist-seit-dem-29-1-24-im-hungerstreik/25112/
3https://a-dresden.org/2024/02/02/gesprache-um-knast-andreas-krebs-im-hungerstreik/
4https://kolektiva.media/c/andreaskrebsoli/videos
5https://www.berlin.rote-hilfe.de/andreas-krebs-im-hungerstreik-und-bericht-einer-zellenrazzia/