Am 31.12.23 gab es wie jedes Jahr, bundesweit proteste und Aktionen gegen Knäste zu Silvester. Auch hier in Berlin kamen um die 60 Menschen die vor der JVA Tegel demonstrierten und später kammen um die 300 Menschen vor der JVA Moabit um ihre Solidarität und auch Wut zum Ausdruck zu bringen. Wir veröffentlichen hier unsere beiden Redebeiträge die wir für den Tag vorbereitet hatten.
Eine detailierte Zusammenfassung, sowie Mitschnitte der Aktionen findet ihr hier: https://archive.org/details/2024-01-03-16h-radio-aktiv-silvester-am-knast
Grußwort Tegel:
Liebe Genoss:innen und Mitstreiter:innen,
ich grüße euch im Namen der Roten Hilfe Berlin. Danke das wir heute hier sprechen können. Ich möchte mich kurz halten. Die aller meisten hier werden Andreas Krebs kennen, ob über Erzählungen, seiner Texte, durch Briefkontakte oder gar persönlich. Es ist immer wieder bewundernswert, wie Andreas nach all den Jahren sich nicht hat brechen lassen und weiterhin seine klare Einstellung behält. Er ist eine wichtige Stimme aus dem Knast geworden, für alle anderen Insassen, aber auch für alle die außerhalb sind.
Dabei hat er nie an seiner Empathie und Ehrlichkeit eingebüßt. Diese beiden Eigenschaften machen seine Erzählungen, Interviews und Berichte umso wertvoller. Denn sie zeigen auch ganz klar die Schwierigkeiten, Zweifel und Gefahren welche Menschen im Knast ausgesetzt werden. Aber auch, wie damit umgegangen werden kann oder was in solchen Situation Kraft geben kann.
Als linke strömungsübergreifenden Antirepressionsstruktur merken wir immer wieder, desto weniger sich Menschen und Genoss:innen mit Knast auseinandersetzen, umso größer ist die Angst. Die Angst, vor der scheinbar und unbekannten Gefahr des Gefängnis. Es braucht den Austausch darüber. Und Menschen wie Andreas leisten einen wichtigen Beitrag dazu. Denn es geht nicht nur um Repression, sondern auch um Widerstand.
Der Knast und die Drohung davon ist eine der stärksten Repressionsformen, die der Staat hat, mit welchem er versucht die emanzipatorischen und solidarischen Bewegungen zu brechen. Dagegen zu halten ist ein Kampf für das Leben und die Freiheit. Unsere Solidarität ist unsere Waffe. Wir dürfen niemanden alleine und uns nicht spalten lassen.
Wer einige Texte von Andreas gelesen hat weiß auch, dass es nie nur um ihn geht. Er kämpft gegen das Knastsystem für eine bessere Zukunft, und zwar für uns alle.
In diesem Sinne,
Free Andreas, free them all
Redebeitrag Moabit:
Liebe Genoss:innen, liebe Mitstreiter:innen, liebe Gefangene,
ich grüße euch im Namen der Roten Hilfe Berlin.
Wie jedes Jahr gehen wir Silvester gemeinsam auf die Straße um gegen Knäste Weltweit zu protestieren. Es ist immer wieder erstaunlich, und erschreckend wie diese Massiven Komplexe und vor allem deren Inhaftierten fast unsichtbar für viele Menschen sind, obwohl sie sich Mitten in unseren Städten befinden. Gefängnisse und Haft sind Tabuthemen in unserer Gesellschaft und die eingesperrten oder abgesessen haben die Gebrandmarkten.
Und doch sind Knäste für viele Menschen so alltäglich, ob als Gefangene, ihre Freund:innen oder Angehörigen. Oft ist es die bloße Existenz von etwa armen Menschen, Menschen ohne einem sicheren Aufenthaltstitel, ohne Zukunftsperspektive und / oder in Lebenskrisen weshalb sie kriminalisiert und von öffentlichen Plätzen verdrängt werden. Nicht selten landen sie in Knästen, in Abschiebezentren, in Gewahrsam oder geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen. Der Entzug der Freiheit nutzt der Staat um unerwünschtes Verhalten, aber auch marginalisierte und Ausgebeutete Menschen zu sanktionieren. Auf Ihrem Rücken wird ein Exempel statuiert.
Der Verlust ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit und Unversehrtheit wird dabei bewusst und billigend im Kauf genommen. Allein schon die Suizidrate innerhalb der Gefängnismauern ist viel Höher als außerhalb.
Überhaupt stellt sich die Frage, wie sehr ein Mensch eine solche Entscheidung wirklich freiwillig nehmen kann, wenn er so stark in die Ecke gedrängt und von seinen Liebsten abgeschottet wird.
An dieser Stelle möchte ich Ferhat Mayouf gedenken, welcher am 23.07.2020 in seiner Zelle hier in der JVA Moabit erstickt ist. Sein Tod lastet auf dem Knast und den Verantwortlichen. Er schrie im Feuer um Hilfe und seine Tür blieb weiterhin versperrt. Und sein Tod ist kein Einzelfall.
Der Knast oder auch nur die bloße Androhung des Wegsperrens ist eines der stärksten Repressionsmittel des Staates um zu versuchen, linke und emanzipatorische Bewegungen zu brechen. Weltweit werden Genoss:innen eingesperrt und verfolgt. Sei es für ihr eintreten für eine sozialistische Gesellschaft, für ihre antifaschistischen, ökologischen oder antimilitaristischen Kämpfe oder für ihre gelebte internationalistische Solidarität.
Denken wir nur an die Genoss:innen Özgül Emre, Ihsan Cibelik und Serkan Küpeli. Ihnen wird vorgeworfen Mitglieder der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKP-C) zu sein und somit Teil einer ausländischen Terroristischen Vereinigung nach 129 b. Ihsan Cibelik wurde vor kurzem die Behandlung seiner Krebserkrankung verwehr, Serkan Küpeli, wurde eingesperrt, als sein Kind gerade mal zwei Wochen alt war. Ihm wurde und wird seine Rolle als Vater durch die üblichen Knastbedigungen erschwert.
Oder aber auch an den Genoss:innen Tobi, Maja, Gabriele und Ilaria die in Europa verteilt in Untersuchungshaft sitzen. Ihnen wird vorgeworfen Teil einer kriminellen Vereinigung nach §129 zu sein und Nazis in Budapest angegriffen zu haben. Der Kontakt zu Ihren Nächsten werden teilweise enorm erschwert durch die geographische Distanz, sowie den strengen Haftbedingungen.
All diese Genoss;innen und viele weitere werden von Angehörigen, Freund:innen und von Ihren Bewegungen isoliert. Sie werden überwacht, eingeschüchtert werden und sollen mit Druck und Repression dazu gebracht werden, sich von Ihrer Einstellung distanzieren. Doch viele bleiben standhaft und wehren sich.
Denn sie wissen, dass es nur sie getroffen haben mag, gemeint waren aber wir alle.
Und dass, liebe Genoss:innen, dürfen wir außerhalb der Knastmauern nie vergessen. Unsere Solidarität und Zusammenhalt muss unsere Waffe gegen ihre Repression sein. Stärken wir den Leuten die drin sitzen den Rücken. Lassen wir sie nicht alleine.
Organisiert und beteiligt euch an Demos und anderen Aktionen, um Ihnen zu zeigen, dass wir sie nicht fallen lassen. Schreiben wir Ihnen um Sie zu bestärken, ob kurze solidarische Postkarten oder andauernde und stabile Brieffreundschaften. Lasst uns die Knäste, ihre Repression und die Gefahr die diese Institution darstellt ins öffentliche Bewusstsein rücken. Und fangen wir vor allem bei uns selbst an.
Als linke strömungsübergreifenden Antirepressionsstruktur merken wir immer wieder, dass um so weniger sich Genoss:innen dem Thema gewidmet haben, um so größer ist ihre Angst vor dem scheinbar Unbekannten, vor dem Knast. Setzen wir uns also alle aktiv damit auseinander, auch und vor allem mit den weltweiten Kämpfen dagegen. Es gibt dazu viel zu lesen und zu hören. Der Knast ist nicht nur eine weltumspannende Geschichte von Unterdrückung sondern auch von Widerstand dagegen, innerhalb wie außerhalb.
Daran müssen wir gemeinsam anknüpfen für eine bessere Zukunft ohne Knäste. Freiheit für alle politischen Gefangene
Lasst uns das Gedenken und die Trauer an Ferhat Mayouf und die vielen weiteren Toten hinter Gittern in Widerstand und Organisation verwandeln, um diesem System der Unterdrückung ohne Furcht gegenüberzutreten!
vielen Dank