Kundgebung für die Opfer rassistischer Polizeigewalt

Veröffentlich am 21.04.2023

Als Rote Hilfe Berlin unterstützen wir die kommende Kundgebung am O-platz. Es ist wichtig, dass Angehörige, Freund:innen, Aktivist:innen und Genoss:innen die für die Aufklärung von Polizeigewalt und Polizeimorde kämpfen nicht alleine gelassen werden. Solche Bemühungen werden vom Staat in der Regel ignoriert, verhindert oder gar kriminalisiert. Daher zeigt euch solidarisch, kommt alle vorbei und erhöht den Druck.


Gerechtigkeit für Vitali Novacov!

Sonntag, 23. April 2023 um 17 Uhr am Oranienplatz

In der Nacht des 11. Aprils wird Vitali Novacov in das Klinikum Berlin-Neukölln eingeliefert. Keine 24 Stunden später wird er dort für tot erklärt. Tod durch Erstickung. Ausgang eines Polizeieinsatzes in Deutschland. 

Das sind Tatsachen. Verifizierte Aussagen der behandelnden Ärzt:innen, belegt in Totenschein und Patientenakte. Tatsachen, die in der öffentlichen Mitteilung der Polizeidirektion Süd Cottbus vom 12. April fehlen! Unter der Überschrift „Aggressiver Mann“ wird hier salopp skizziert, wie Novacov im brandenburgischen Niederlehme von Polizisten „mit Unterstützung von Anwohnern fixiert und gefesselt“ wurde, nachdem er sich „psychisch auffällig“ auf einem Grundstück in der Karl-Marx-Straße aufhielt. Im Zuge der kollektiven Festnahme wird Vitali Novacov ohnmächtig, muss notärztlich versorgt und in ein Krankenhaus gebracht werden. Als er in die Neuköllner Notaufnahme eingeliefert wird, haftet in seinem Gesicht, seinen Atemwegen und der Lunge feuchte Erde. Als er dort ankam, soll Vitali  Novacov bereits hirntot gewesen sein.

Vitali Novacov hörte unter den Händen der deutschen Polizei auf zu atmen. Vitali Novacov starb allein auf deutschem Boden. Er wurde 45 Jahre alt.

Am 23. April werden wir Vitali Novacov und der vielen weiteren Opfer deutscher Polizeigewalt gedenken. 

Polizeigewalt bedeutet nicht immer, dass ein Mensch stirbt. Aber diese Todesfälle machen uns auf dramatische Weise  bewusst, wie gefährlich die Polizei ist. Allein 2022 sind mindestens 15 Menschen durch die Polizei ums Leben gekommen und umgebracht worden. In Berlin verstarb im Oktober letzten Jahres Kupa Ilunga Medard Mutombo an seinen schweren Verletzungen, die ihm die Berliner Polizei zugefügt hatte. Im vergangenen Monat starb im Brandenburgischen Senftenberg ein Mann durch die Schusswaffe eines Polizisten. In dem Fall wurden elf Einschusslöcher im Treppenhaus nach dem Einsatz festgestellt. 

Selbst wenn Polizeigewalt jede:n treffen kann, ist es kein Zufall, dass es manche Gruppen viel häufiger trifft als andere – vor allem Gruppen, die aufgrund von Rassismus marginalisiert, stigmatisiert und ausgegrenzt werden. So sehr, dass diese Gewalt normalisiert wird. Das darf sie aber niemals werden. 

Vitali Novacov wurde in Moldau geboren und war im Besitz der bulgarischen Staatbürgerschaft. Die Vermutung liegt nahe, dass er Rom war. Dass sich innerhalb deutscher Polizeibehörden Rassismus und Antiziganismus durch die Strukturen ziehen, Racial Profiling zur gängigen Strategie und Praxis gehört, ist ein dokumentierter Fakt! In dem kürzlich erschienen Gutachten einer Studie der Deutschen Hochschule der Polizei stimmten 17% der befragten Polizist:innen der Aussage: „Ich hätte Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten“, „ganz“ oder „eher“ zu. 

Auch im Umgang mit Menschen, die sich in Krisen befinden, zeigt sich die Polizei nicht nur unfähig, Konflikte zu vermeiden, sondern ist oft auch  verantwortlich dafür, dass diese erst entstehen oder eskalieren. In vielen Fällen, hätte die bloße Abwesenheit von Beamt:innen Tode verhindern können. Vorurteile, Befugnisse und die Bewaffnung von Polizist:innen sind eine reale, allgegenwärtige, eine tödliche Gefahr. 

Ohne die Polizei wäre die Kriminalisierung, Vertreibung und Ausbeutung vieler Menschengruppen gar nicht machbar. Auf dem Rücken der Opfer schützt sie eine ungerechte Gesellschaft und somit den Status Quo.

Die derzeitigen Massendeportationen von Berlin nach Moldau, dem Geburtsland Vitalis, sind Beispiele für die systematisch kontinuierliche staatlicher Gewaltgegen Roma* in Deutschland. Schutzsuchende Roma*, die in ihrem Herkunftsland einem massiven strukturellen Antiziganismus ausgesetzt sind. Unmittelbar nach Ende des Wintermoratoriums am 31. März kam es bereits zu drei Massenabschiebungen in Berlin, die nach Aussagen von Augenzeug:innen, Mitarbeiter:innen der Sammelunterkünfte und des Flüchtlingsrats Berlin an Brutalität von Seiten der Ausführenden unfassbare Ausmaßen annehmen. Türen, hinter denen die Betroffenen sich aus Angst und Panik verschanzen, werden gewaltsam mit Rohren aufgebrochen, schwerkranke Personen deportiert und Familientrennungen durchgeführt, sodass Elternteile oder Kinder allein in Deutschland zurückbleiben! Eine Zunahme der Gewalt gegen die Schutzsuchenden nach dem offiziellen Regierungswechsel in Berlin ist zu befürchten. 

Wenn staatliche Organe eine ungerechte Gesellschaft erzeugen, die Polizei Gewalt ausübt und die Justiz Tatsachen verdreht, muss die Zivilgesellschaft ihre Stimme erheben! Dann liegt es an uns, für Gerechtigkeit und Wahrheit einzustehen. Wir kämpfen für die Rechenschaft der Opfer von Polizeigewalt und Rassismus!

Schließt euch uns an. Denn schlussendlich sind Tode wie der von Vitali Novacov keine Einzelfälle. Sie haben System!
Justice for Vitali Novacov!  

Unterzeichnende: 
BARE – Berliner Bündnis gegen Antiziganismus und für Roma*-Empowerment
Death in Custody
KOP – Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt
ReachOut Berlin
Rote Hilfe Berlin