Redebeiträge und Zusammenfassung der Kundgebung „Gerechtigkeit für Nzoy“

Veröffentlich am 16.09.2022

Redebeitrag der Roten Hilfe Berlin

Liebe Genoss:innen,

Wir, die Rote Hilfe Berlin, bedanken uns bei den Organisator:innen für die Einlandung zu dieser Kundgebung. Gleichzeitig möchten wir uns auch bei den Familienangehörigen und Freund:innen von Nzoy bedanken, ohne deren Engagement wir heute gar nicht hier wären. Wir stehen diesen heute zur Seite und gedenken Nzoy, welcher genau vor einem Jahr in der Schweiz von der Polizei erschossen wurde. Er befand sich in einer psychischen Ausnahmesituation in einem Bahnhof und wirkte sehr unruhig und rastlos. Bahnmitarbeiter machten sich sorgen, dass er sich selbst gefährden könnte und wählten den Notruf. Ein Angestellter nahm respektvoll Kontakt zu ihm auf und schaffte es auch ihn etwas zu beruhigen. In diesem Moment war niemand bedroht. In diesem Moment gab es keine Gefahr. Und genau in diesen Moment stürmten die Bullen aufs Bahngleis, eskalierten die Situation und schossen drei Mal auf Nzoy. Danach verweigerten sie ihm die erste Hilfe und legten ihm stattdessen Handschellen an. Wären sie erst gar nicht erschienen oder wären auf Abstand geblieben, würde er sehr wahrscheinlich noch unter uns sein.

Das ist kein bedauerlicher Einzelfall. Alleine nur im schweizerischen Kanton Waadt finden sich über die Jahre ähnliche Todesfälle, die zu keinen Konsequenzen führen, weder für die Beamt:innen, noch für die Behörde als ganzes.

Auch in Deutschland ist tödliche Polizeigewalt keine Seltenheit, ganz im Gegenteil. Alleine nur im August diesen Jahres sind hier vier Menschen durch Polizeieinsätze gestorben. In Dortmund wurde beispielsweise der 16 Jährige Mouhamed Lamine Dramé mit einem Maschinengewehr ermordet. Recherchegruppe und Initiativen dokumentieren seit Jahren, wie flächendeckend Menschen von den Bullen verdrängt, bedroht, geschlagen, traumatisiert, eingesperrt und getötet werden.

Polizeigewalt und Rassismus haben ihre lokalen und nationalen Besonderheiten, doch sollten wir bei unseren Bemühungen diese zu bekämpfen über den eigenen Tellerrand hinaus schauen. Wir müssen International denken. So wie heute hier vor der Schweizer Botschaft in Gedenken an Nzoy, oder auch beispielsweise 2020 bei den vielen Protesten nach dem Tod von George Floyd. Dabei müssen wir langfristig von den unterschiedlichen Erfolgen und Kämpfen lernen, um unsere eigene Praxis zu verbessern.

Um es in aller Klarheit zu sagen, die Polizei, ob hier in Deutschland, in der Schweiz oder in den U.S.A. wird sich in Ihrer Struktur nicht aus eigenen Stücken zum guten reformieren. Es sind uns soviel einfache Lösungen bekannt, die schnell umgesetzt werden könnten. Einige klingen so banal, hätten aber die Todesgefahr in vielen Fällen reduzieren können. So zum Beispiel, dass Menschen in psychischen Krisensituation keine Bullen mit Schlagstöcken und Schusswaffen brauchen, sondern professionelle Hilfe durch Menschen mit geeigneter Expertise. Oder einfach auf Schusswaffen in so einer Situation komplett zu verzichten und lieber auf Schutzkleidung und vorsichtigem Abstand zu setzen. Aber es passiert nichts und jedes Jahr häufen sich die sogenannten bedauerliche Einzelfälle.

Die Polizei verhindert keine Gefahr, sondern sie ist eine. Der Mord an Nzoy macht es wiedermal so deutlich. Wären die Bullen gar nicht gekommen, wäre wahrscheinlich alles gut gegangen.

Aber leider ist es ja auch nicht verwunderlich, liebe Genoss:innen. Die Polizei verdrängt, bedroht und verletzt alltäglich Menschen, die gesellschaftlich stigmatisiert und am Rand gedrängt werden. Sei es wegen Obdachlosigkeit, Armut, Drogenkonsum, sichtbare psychische Krisen, Sexarbeit und / oder natürlich auch wegen Rassismus.

Die Polizist:innen selbst sind eine elementare Stütze, welche das rassistische System aufrechterhält.
Sie halten die Grenzen aufrecht, indem sie unerwünschte Migrant:innen Landesweit verfolgen, einsperren und abschieben.
Sie schikanieren und kriminalisieren die bloße Anwesenheit junge Schwarze Menschen an öffentlichen Orten, nur um eine Gefühl der Sicherheit zu inszenieren.
Sie schützt das Kapital und somit auch die Ausbeutung von heute, die auch auf die Kolonial Geschichte Europas fußt.

Die Polizei kann daher keine Lösung für gesellschaftlichen Problemen sein. Ganz im Gegenteil, sie gehört in ihrer jetzigen Form abgeschafft.

Auf dem Weg zur einer Gesellschaft ohne Rassismus und tödlicher Staatlicher Gewalt, dürfen wir uns dabei nicht spalten lassen. Als Rote Hilfe wissen wir nur zu gut, dass wenn einzelne Genoss:innen mit Repression überhäuft werden, sie die gesamte Bewegungen einschüchtern und schwächen wollen. Lassen wir das nicht zu, denn unsere Solidarität ist eine Waffe. Trotz aller Unterschiede, die wir inhaltlich oder methodisch haben, so eint uns doch der Kampf für eine bessere Zukunft.

Das sind wir Nzoy, George Floyd, Mouhamed Lamine Dramé und den vielen anderen schuldig.

No Justice no Peace
Fight the police

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