Beiträge der Moderation zu Marcel, Hussam Fadl und Beate F.
Marcel aus Schöneweide
Wir möchten euch auch kurz nochmal auf Marcel aus Berlin aufmerksam machen, der im April diesen Jahres von der Polizei getötet wurde. Er war ein obdachloser Mensch, der die meiste Zeit in Schöneweide lebte. Am 20. April schlief er mit zwei Freunden in einem Innenhof. Die Polizei kam vorbei und verscheuchte die Menschen mit Gebrüll und Gewalt. Da Marcel wegen einer Beinverletzung nicht so schnell abhauen konnte, wurde er von den Bullen attackiert. Diese benutzten Pfefferspray und prügelten ihn bewusstlos. Er wurde zwar später reanimiert, starb aber eine Woche später, am 27.04. im Krankenhaus. Er wurde 39 Jahre alt. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt zurzeit gegen zwei Beamte wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
Marcel ist nicht der erste und letzte Obdachlose oder bedürftige Mensch, der von der Polizei verdrängt wird. Statt die sozialen Probleme anzugehen, wird die Polizei als Instrument gesehen um soziale Konflikte zu lösen. Die Polizei Präsenz in der Stadt und auch die neue Kottiwache machen dies unmissverständlich klar. Doch das ist keine Hilfe, sondern ein Problem. Es wird das Eigentum vor Menschenleben, das Wohlbefinden der Reichen vor dem Wohlergehen der Bedürftigen gestellt.
Die Polizei und die Justiz halten auch diese Ordnung aufrecht. Wie bei Ferhat, werden alle kriminalisiert, die sich um eine wahrhaftige Aufklärung bemühen. Marcel hatte Kontakt mit Leuten aus der A-Küche, die in Schöneweide aktiv sind. Diese haben den Mord öffentlich gemacht. Auch hier wurde die Arbeit kriminalisiert, durch beispielsweise eine starke Polizeipräsenz bei der Demo, aber auch wurden Leute die plakatiert haben sollen, mit ausgestreckter Waffe von Zivilbullen bedroht.
Der eine obdachlose Freund von Marcel wurde auf offener Straße von der Kripo überrascht, verhört und bedrängt irgendwelche Informationen zu geben. Es gab keine offizielle Vorladung, keine Zeit sich auf das Gespräch vorzubereiten, geschweige denn einen Anwalt oder Anwältin zur Seite zu ziehen. Wir können keine Aufklärung von den Bullen und von der Justiz erwarten.
Darum lasst uns nicht diese Tode als Einzelfälle betrachten. Wir müssen die Kontinuität sehen und durchbrechen. Für Ferhat und Marcel.
Hussam Fadl
Ein weiterer Fall tödlicher Staatsgewalt ereignete sich im September 2016 hier um die Ecke in der Kruppstraße. Hussam Fadl wurde von der Polizei vor einer notdürftig eingerichteten Geflüchtetenunterkunft mit 4 Schüssen getötet. Hussam soll ein Messer gehabt haben. Augenzeug*innen widersprechen. Ein Küchenmesser, dass die Polizei später am Tatort gefunden hatte, zeigte keinerlei Fingerabdrücke von Hussam. Wichtige Zeugen wurden abgeschoben und sind nun unauffindbar. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Konsequenzen gab es keine.
Beate Fischer
Am 23.07.1994 in Berlin, also genau heute vor 28 Jahren, wurde Beate Fischer auf grausame und brutalster Weise von drei Nazis ermordet. Die damals 32 Jährige Sexarbeiterin hinterließ eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Sexarbeiter:innen und Antifaschist:innen rufen jährlich regelmäßig zu Kundgebungen und Veranstaltungen auf, um Beate Fischer zu gedenken.
Wir möchten sie heute am zweiten Todestag von Ferhat Mayouf nicht unerwähnt lassen. Denn obwohl sie nicht durch uniformierte Menschen umgebracht wurde, ist der Staat bei Ihrer Ermordung nicht komplett unschuldig.
Sexarbeiter:innen werden seit Ewigkeiten, wie viele andere Gruppen, kriminalisiert, verdrängt und verachtet. Und selbst, wenn der Staat seinem Auftrag nachkommt, die Täter zur Verantwortung zu ziehen, hat er doch schon im Vorfeld versagt. Denn in dem Moment, wo er sich selbst aktiv dafür einsetzt Sexarbeiter:innen durch Kontrollen, Platzverweise und ähnliches zu schikanieren, sendet er ein klares Signal, welches Leben schützenswert ist und welches nicht.
Nazis, Frauenhasser, Rassist:innen und Faschist:innen teilen alle ein starke Vorstellung von ungleichem Leben. Wenn der Staat, diese Ungleichheit nicht bekämpft, sondern aktiv vertieft, dann beteiligt er sich indirekt an den Angriffen und Anschläge. Denn die Täter:innen fühlen sich sicherer und bestärkt in ihrer Weltansicht.
Ob in Hanau, Halle, Rostock Lichtenhagen oder auch an dem Mord an Beate Fischer. Nazis Morden, der Staat macht mit. Daher in diesem Sinne, kein Vergeben, kein Vergessen, weder für Ferhat Mayouf noch für Beate Fischer.
Übersicht
Criminals for Freedom (S.2)
Kay Schedel (S.3)
Women in Exile en francais und in deutsch (S.4)
Redebeitag vom Recherche Team Death in Custody (S.5)
Beiträge der Moderation zu Marcel, Hussam Fadl und Beate F. (S.6)
Redebeitrag von Ihr seid keine Sicherheit (S.7)
Redebeitrag der Roten Hilfe Berlin (S.8)
Redebeitrag von Free Mumia Berlin (S.9)
Aufruf für die Kundgebung „Gerechtigkeit für Nzoy!“ (S.10)