Redebeitrag Kay Schedel
Liebe Genossen,
Liebe Mitstreitende im Kampf gegen Rassismus, Polizeigewalt und Knastsystem, vorab solidarische und liebe Grüße an meine Freundin in Hamburg, meine Eltern in Oberhavel wünscht euch Kay aus dem staatlichen geförderten Ferienlager des offenen Vollzug der JVA Neuruppin – Wulkow.
Ich möchte mich auf diesen Weg bei Criminals for Freedom, Death in Custody, Justiz Watch, der Roten Hilfe, der Knastzeitung der Lichtblick aus der JVA Tegel, ZDF Frontal und anderen Orgas und Vereinen bedanken für die Unterstützung, dass der Tod und dessen fragwürdige Umstände von Ferhat Mayouf am 23.07.2020 hier in der JVA Berlin – Moabit unter der Leitung Frau Anke Stein und Martha Wedra nicht unbeantwortet bleibt und in Vergessenheit gerät.
Nach über zwei Jahren gibt es noch immer keinen Schuldigen bzw. Verantwortlichen und die deutsche Justiz hägt auch kein Interesse daran, ob Ferhat noch leben könnte. Ihr habt euch hier versammelt um Ferhat Mayouf zu gedenken, welcher am 23.07.2020 durch einen Brand in der JVA Berlin – Moabit ums Leben gekommen ist. Doch ihr seid nicht Alle, es fehlen die Gefangenen.
Am besagten Tag, wo ein Mensch, ein Freund, ein Familienmitglied, ein Bruder und Leidensgenosse sein Leben auf fragwürdige Weise in einer staatlichen Einrichtung verlor, sind wir dazu verpflichtet diese Umstände und Vertuschung an die Öffentlichkeit zu tragen, dafür zu kämpfen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und so etwas sich nicht wiederholen darf.
Die offizielle Version verkündete schnell, es handelt sich um Suizid und spricht die Knastleitung und deren Handlanger von jeglicher Schuld und Versagen frei.
Ich sage: Es gibt kein Suizid im Knast! In einer gewollten und staatlich geförderten totalen Institution i.V.m. einer Desozialisierung, kann es keinen freien Willen zur Beendigung des eigenen Lebens geben. Wenn Menschen im Gewahrsam sterben, sind das keine Einzelfälle, sondern Folgen einer perfiden und menschenunwürdigen Struktur.
Es existieren Zeugenberichte von Mitgefangenen, die eindeutig aussagen, dass Ferhat mehrere Minuten lang um Hilfe, Feuer, Feuer schrie, gegen seine Zellentür schlug und mehrere Schlusen quasi vor dessen Zelle standen und ihn nicht halfen bis er verstummte. Ein Gefangener sah diese Schlusen aufgrund eines Lochs in seiner Zellentür. Ein anderer hörte sogar die stehenden Schlusen vor seiner Zelle sich beraten. Ich hörte Ferhat am anderen Ende des Zellentrakt durch meine Zellentür um Hilfe schreien. Als ausgebildeter Feuerwehrmann und Rettungssanitäter solch eine Situation mitzubekommen, dass ein Mensch qualvoll an einer Rauchgasintoxikation stirbt oder zu verbrennen droht, ohne einschreiten zu können ist auf deutsch gesagt echt, Scheiße!
Die Justiz und dessen Sprecher Sebastian Brux gab an, Ferhat hätte sich in seiner Zelle verbarrikadiert, in dem er Haftinventar vor die Tür stellte und dieses anzündete, somit seine Rettung aus dem tödlichen Inferno verhindern wollte. Ich und andere wiederum zweifeln dies stark an.
Ein Mensch, der seine Zelle in Brand setzt schreit danach nicht Minuten lang um Hilfe und wummert massivst gegen die Zellentür. Zumal Ferhat gar nicht an die Tür hätte kommen können, da er angeblich diese mit Inventar verbarrikadiert, angezündet haben soll und somit an diese nicht mehr hätte wummern können. Desweiteren konnte er sich nicht verbarrikadieren weil die Haftraumtür nach außen hin öffnet. Somit wäre eine Rettung gegeben gewesen.
Der Justizsprecher Brux gab weiter zu verstehen, dass die Tür nicht geöffnet werden konnte, da diese angeblich zu heiß und verbeult gewesen wäre. Absoluter Irrsinn! und ein weiterer Versuch der Justiz sich vom Versagen frei zu sprechen. Nach Inaugenscheinnnahme dieser Tür wurde festgestellt, dass diese eben nicht verbeult war und es keine Brandzehrung und Abplatzungen am Lack gab. Demzufolge kann die Tür nicht so heiß gewesen sein, um diese zu öffnen und eine Rettung wäre gegeben gewesen.
Damit nicht genug. Weiter gab die Justiz zu verstehen, dass die Schlusen ein Verbot haben bei solch einer vorgefundenen Situation, Haftraumtüren zu öffnen. Es soll angeblich auch diesbezüglich ein Schriftstück zur Vorgehensweise der Berliner Feuerwehr geben. Auf Nachfrage einer mir bekannten Feuerwehrquelle, wurde solch ein Schriftstück dementiert. Auch kann diese Aussage der Justiz zweifelsfrei widerlegt werden, da es zwei Wochen später zu einen erneuten Brand auf einen Haftraum gekommen ist, und dieser von den Schlusen eigenständig gelöscht wurde. Justizsprecher Sebastian Brux, was denn nun! Tür auf oder zu?
Wie ihr seht liebe Genossen, versucht sich die deutsche Justiz um Kopf und Kragen zu reden und versucht zeitgleich vehement diesen Tod von Ferhat durch unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge und dessen Beteiligung zu leugnen. Fest steht, dass die Haftraumtür laut Ermittlungen erst 27 Minuten später durch die eintreffende Berliner Feuerwehr geöffnet wurde. Dies sind 27 Minuten zu viel.
Ein weiteres Indiz dafür, dass die Justiz diese brisanten Informationen gerne unter Verschluss gehalten hätte, nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte ist, dass fünf Tage nach der Death in Custody Kundgebung am 23.01.2021 zum Tod von Ferhat Mayouf ich Zeuge der staatlichen Gewalt und Repression im Knast wurde, da ich einen Audiobeitrag diesbezüglich veröffentlicht habe und die JVA Berlin – Moabit, dessen Leitung anprangerte und die Todesumstände in Frage stellte.
Sie antworteten u.a. mit einer repressiven, willkürlichen und einschüchternden Zellenrazzia, einer körperlichen Entkleidung meiner Person mit einer zusätzlichen Inaugenscheinnahme meines Arschlochs. Bei dieser fragwürdigen und demütigenden Peepshow fragte ich mich fortwährend, was die Schluse wohl in meinem Arsch zu finden vermochte. Vielleicht das Licht am Ende des Tunnels?
Ich Nachgang verklagte ich die JVA Berlin – Moabit auf 1000€ Schmerzensgeld, da diese mein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzte und es sich dabei um eine Menschenrechtsverletzung i.S.d. Artikel 3 Europäische Menschenrechtskonvention handelte.
Dieser Versuch der Knastleitung mir einen Maulkorb verpassen zu wollen, mich einzuschüchtern oder gar biegen und brechen zu wollen, um die Aufklärung und Thematisierung des Todes von Ferhat Mayouf zu unterbinden, verurteile ich aufs Schärfste und erntet Verachtung.
Gerade diese Aufklärungsarbeit stellt überhaupt erst die Grundlage dar, ohne die wir zum Teil von Todesfällen hinter Gittern nichts mitbekommt bzw. wenige bis keine Informationen über diese haben würden.
Von der Justiz und staatlichen Akteure, die immer mit neuen Skandalen und rechten Verbindungen glänzen, können wir keine Gerechtigkeit und Aufklärung erwarten. Todesfälle in deutschen Knästen sind die traurige Konsequenz des strukturellen Rassismus, Repressionen, Willkür und Machtgebaren in der deutschen Justiz. Mit diesen Bild schafft die Justiz derzeit wunderbar, dass staatsfeindliche Ideologien wieder lauter werden und das rassistische, repressive, autoritäre, staatliche Gewalt tagtäglich mithilfe vom Staat unbehindert stattfindet.
Diese Konstrukte sind nicht dafür da, Gerechtigkeit zu schaffen, sie dienen lediglich dazu, die herrschende kapitalistische Ordnung aufrecht zu erhalten, alle dagegen Revoltierende zu unterdrücken, Menschen zu kriminalisieren, sie soweit an den Rand der Gesellschaft zu drängen, bis sie entweder nichts mehr zu melden haben, komplett isoliert sind oder, wie die unzähligen Morde durch die Justiz beweisen, von ihnen getötet werden.
Es wird der Moment kommen, in der man sie alle erdet und auf den harten Boden der Realität aufschlagen lässt. Ihre undurchsichtigen Machenschaften sollten endlich der Vergangenheit angehören. Deswegen sollten wir uns weder auf diese Konstrukte, noch auf ein Gespräch mit ihnen einlassen. Das was die Justiz in Gerichtssälen und totalen Institutionen tagtäglich tun ernst zu nehmen bedeutet, sie als Feinde aller freiheitsliebenden Menschen zu begreifen, ihre Gerichte, Knäste und ihre Ordnung nicht anzuerkennen, weder mit ihnen zu reden, noch ihnen jemals die Hand zu reichen.
Der Tod und die Repression zeigt in diesem Zusammenhang auch, welche unmoralischen Methoden Gerichte und Knäste nutzen, wie sie Menschen erniedrigen und unterdrücken.
Das Justizsystem, deckt Entscheidungen die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch sind. Richter, Staatsanwälte, Schlusen und andere Justizhandlanger brauchen auf deutschen Boden keine harte Bestrafung fürchten. Kaum einer dieser möglichen Täter wird je zu Gericht gebracht, dank einer schön kriminellen Justizbande die sich gegenseitig deckt.
Was können wir gemeinsam gegen diesen tödlichen staatlichen Status Quo tun?
Wir sollten dieses widerwärtige, menschenrechtsverletzende und desozialisierende Knastsystem und deren Handlanger die dieses unterstützen und tolerieren den Kampf ansagen, in Form von weiteren lauten Demos, Kundgebungen, gemeinsamen Aktionen bspw. vor dem Bundesministerium für Justiz und der Aufbau einer starken handlungsfähigen Gefangenenlobby.
Wir die Gefangenen lassen sich nicht biegen und brechen, uns vom Staat weder Mundtot noch einen Maulkorb verpassen lassen. Wir werden weiter gemeinsam für unsere Rechte, Menschenwürde und die Aufklärung Seite an Seite lautstark und rebellig mit euch kämpfen, damit kein weiterer Mensch in den deutschen Knästen sterben muss.
Daher fordere ich euch auf, seid kreativ, macht Radau und duldet nicht länger diesen Status Quo.
Für das Leben, für die Freiheit
R.I.P. Ferhat Mayouf
No Justice No Peace
Kay
Übersicht
Criminals for Freedom (S.2)
Kay Schedel (S.3)
Women in Exile en francais und in deutsch (S.4)
Redebeitag vom Recherche Team Death in Custody (S.5)
Beiträge der Moderation zu Marcel, Hussam Fadl und Beate F. (S.6)
Redebeitrag von Ihr seid keine Sicherheit (S.7)
Redebeitrag der Roten Hilfe Berlin (S.8)
Redebeitrag von Free Mumia Berlin (S.9)
Aufruf für die Kundgebung „Gerechtigkeit für Nzoy!“ (S.10)