Rosen sind rot, Ermittlungsgruppen sind blau

Veröffentlich am 25.02.2021

Im Spätsommer 2020 wurde beim Berliner Landeskriminalamt die Ermittlungsgruppe „Blau“ gegründet. Anlass waren einige militante Aktionen gegen die AfD seit Januar des Jahres. Ein halbes Jahr später gibt es keine öffentlichen Ergebnisse in diese Richtung. Aufgrund der eigenen Ohnmacht gegen die konfrontative Praxis verfolgt die EG „Blau“ inzwischen jede Form von Widerspruch gegen die neofaschistische Partei. So gerieten zwei Antifaschist*innen ins Visier, die schon lange vom LKA drangsaliert werden.

„Ding dong, die Zivilgesellschaft ist da“ – mit diesen Worten kommentierte der Pressesprecher der Berliner AfD, Ronald Gläser, im August 2020 sein abgebranntes Auto. Damit war er nicht alleine. In den Monaten nach dem rassistischen Attentat von Hanau traf es eine ganze Reihe von rechten Funktionär*innen der Partei und ihre Infrastruktur in Berlin: den Landesvorsitzenden Nicolaus Fest, den parlamentarischen Geschäftsführer Frank-Christian Hansel, die Lichtenberger Bezirksverordnete Marianne Kleinert, den Bundestagsabgeordneten Gottfried Curio, das Neuköllner Vorstandsmitglied Julian Potthast, den Neonazi und AfD-Vermieter Andreas Geithe, den Flügel-Treffpunkt Restaurant „Maestral“ in Reinickendorf, die Neuköllner Treffpunkte „Torrero“, „Novi Sad“ und „Casino Zwickauer Damm“ sowie zeitgleich die Parteizentralen von AfD und NPD.

Die sonst übliche Solidarisierung mit der AfD durch andere Parteien blieb diesmal aus. Selbst die Presse stellte durchgehend den Zusammenhang mit dem Attentat von Hanau her und zitierte aus verschiedenen Selbstbezichtigungsschreiben. Allerdings schienen die direkten Antworten auf rassistische Gewalt für das Landeskriminalamt ein Problem darzustellen. Eine Sonderkommission sollte her, um der taumelnden Berliner AfD angesichts der Wahlkämpfe im Jahr 2021 wieder ein gewisses Sicherheitsgefühl bieten zu können. Antifaschistische Proteste verhindern bereits seit zwei Jahren effektiv einen für die Afd dringend notwendigen Parteitag.

Das vorrangige Ziel der EG „Blau“ ist die Aufklärung der militanten Angriffe seit Januar 2020. Zum ersten Mal trat sie jedoch Ende November 2020 mit einer Hausdurchsuchung in Aktion, die keinerlei Bezug zu diesen Aktionen hatte. Das ist zwar schäbig und schlecht für die Betroffenen, vermittelt aber den Eindruck, dass die Ermittlungsbehörden ansonsten eher im Dunkeln tappen.

Dementsprechend scheint das Ziel der Durchsuchungen vorwiegend allgemeiner Natur: Protest und Widerstand gegenüber neofaschistischen Strukturen sollen kriminalisert und Aktive eingeschüchtert werden. Die Gründung der EG „Blau“ fußt zwar auf „der Begehung von schweren Straftaten“, wie die Bullen die Angriffe vermutlich bezeichnen. Gesucht und ermittelt wird aber vor allem „ins Blaue hinein“. Man versucht Personen anzugehen und Einblicke in Strukturen zu erhalten, die sich deutlich gegen die AfD positionieren, um so insgesamt Antifaschist*innen einzuschüchtern.

Dafür sprechen auch die Hintergründe der zurückliegenden Hausdurchsuchung. Die von den Bullen heimgesuchten vermeintlichen „Täter*innen“ wurden lediglich von einem „szenekundigen Beamten“ des LKA 644 (PMS) beschuldigt. Dieser Beamte mit der Kennnummer V0564 tritt regelmäßig bei politischen Verfahren auf. Dabei machte er vor allem durch falsche Identifizierungen und Falschaussagen von sich Reden, zuletzt im sogenannten „Späti-Prozess“. Die politisch durchsichtigen Assoziationsketten von V0564 sind auch im vorliegenden Ermittlungsverfahren dokumentiert. Ebenfalls beteiligt sind V0731 und V0836, die die beiden Betroffenen bei einer Antifademo in Rudow einige Tage vor der Hausdurchsuchung beobachtet haben wollen.

Neben der Zuarbeit durch die „Szenekundigen“ besteht die EG „Blau“ scheinbar nur aus drei Beamt*innen vom Polizeilichen Staatsschutz (LKA 521). Das entspricht der üblichen Größe anderer Ermittlungsgruppen in den letzten Jahren. Die Fleißarbeit machen ein Kriminalkommissar und eine Kriminaloberkommissarin. Sie sind dafür zuständig beispielsweise Fotos der Wohnung auszuwerten oder ein Auto in der Nachbarschaft zu finden, das bei der Durchsuchung nicht auffindbar war. Geleitet wird die EG „Blau“ von einer alten Bekannten, die jahrelang auf die „Hausbesetzerszene“ angesetzt war und im „Sponti“-Verfahren alles in Bewegung setzte, um DNA-Proben von Betroffenen zu erzwingen.

Auf Seiten der Staatsanwaltschaft bearbeitet Staatsanwältin Eppert das aktuelle Verfahren. Ebenfalls am Verfahren beteiligt ist der neue Leiter der Staatsschutzabteilung 231, Oberstaatsanwalt Thorsten Neudeck, der auf den strammrechten AfD-Freund Oberstaatsanwalt Matthias Fenner folgt.

Was heißt dies alles nun für zukünftige Aktionen gegen die AfD und ihre Unterstützer*innen? Am 26.09.2021 finden die Bundestagswahlen und die Wahlen für das Abgeordnetenhaus statt. Die Berliner AfD ist dafür bis jetzt schlecht aufgestellt. Bisher kreist die Partei durch Richtungsstreits und innerparteiliche Konflikte stark um sich selbst. Zudem verhinderten antifaschistische Proteste, u.a. von der Kampagne „Kein Raum der AfD“, seit Langem die Durchführung eines Landesparteitages. Nun wurde jedoch bekannt, dass bereits im März mehrere Parteitage geplant sind. Dafür muss die AfD wohl auf eine landwirtschaftliche Ausstellungshalle im brandenburgischen Paaren/Glien zurückgreifen. Dennoch ist mit weiterem Streit in der Partei zu rechnen. Da es aufgrund der zugelassenen Personenbeschränkungen dem Anschein nach lediglich ein Delegiertenparteitag wird, machen die Befürworter eines Mitgliederparteitages parteiintern mobil. Doch wenn zwei (nationalistische und rassistische) Lager sich streiten, freuen sich die Dritten: Die Chance ist günstig, der taumelnden Partei dieses Jahr den Rest zu geben und ihre Schwäche auszunutzen. Was die AfD in den kommenden Wochen und Monaten absolut nicht gebrauchen kann, sind Antifaschist*innen, die vielfältig und massiv gegen sie vorgehen.

Keine Angst vor der EG „Blau“, keine Spekulationen, keine falsche Scheu in der politischen Auseinandersetzung!


Repression kostet Geld: neue Computer, neue Telefone, neue Wohnungstür, Anwält:innen, Gerichtskosten. Wenn ihr die Betroffenen der Hausdurchsuchung unterstützen möchtet, dann spendet an:

Rote Hilfe e.V.

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