Redebeitrag vom 24.01 – In Gedenken an Maria

Veröffentlich am 30.01.2021

Maria wurde vor einem Jahr, am 24.01.20, in Ihrer Wohnung von Polizisten erschossen. Nicht mal vier Wochen später, wurde das Verfahren gegen die Beamten eigestellt. Die Kundgebung in ihrem Kiez Friedrichshain, richtet sich auch gegen (tötliche) Polizeigewalt. Hier findet ihr unseren Redebeitrag dazu:

„Liebe Genoss*innen, ich grüße euch im Namen der Roten Hilfe Berlin.

Heute, an ihrem Todestag, wollen wir an Maria gedenken.
Dabei ist es wichtig, diesen Fall, wie soviele andere nicht isoliert zu betrachten und als klares systematisches Problem wahrzunehmen. Polizeigewalt ist kein Einzelfall. Und vor allem in Zeiten, in denen durch Corona soziale und politische Themen untergehen, ist eine durchhaltende und kämpferische Haltung wichtig, damit Maria und all die anderen nicht in Vergessenheit geraten.

Wir finden uns heute hier zusammen um ihren Tod zu betrauern und uns mit den Angehörigen, Freund*innen, Bekannten und Unterstützer*innen der Verstorbenen zu solidarisieren. Wir sind heute aber auch hier, weil Maria von einem Bullen erschossen wurde und wir die staatliche Gewalt und ihre Erzählungen nicht einfach so hinnehmen, sondern dem etwas entgegensetzen wollen. Deshalb fordern wir lückenlose Aufklärung und Konsequenzen für die beteiligten Beamten. Denn die vermeintlichen Einzelfälle tödlicher Polizeieinsätze und deren Vertuschung sind auch in Deutschland Kontinuität.

Jedoch werden einfache Bitten an den Staat auch in diesem Fall nichts nützen. Das Ermittlungsverfahren gegen die vier Beamten wurde in weniger als zwei Monate eingestellt. Wie wenig der Staat ein ernsthaftes Interesse daran hat gegen sein eigenes Exekutivorgan vorzugehen ist uns leider auch aus zu vielen anderen Beispielen bekannt.
So gab es gestern auch eine Kundgebung vor dem Knast Moabit in Gedenken an Ferhat Mayouf, welcher am 23 Juli 2020 in seiner Zelle verbrannte. Auch hier wurden die Wärter*innen und die Knastleitung von jeglicher Verantwortung freigesprochen, trotz vorliegender Augenzeugenberichte, welche einem einfachen Suizid Narrativ klar widersprechen.
Oder denken wir an Hussam Fadl, der 2016 in Berlin hinterrücks von Bullen erschossen wurde. Die Beamten fügten selber noch ein Messer hinzu, um ihren Mord zu rechtfertigen.
Doch zeigt uns dieses mörderische System immer wieder die Bereitschaft, Tote in den Kauf zu nehmen. Wir müssen bei der Aufklärung und Verarbeitung der Todesfälle uns nicht nur mit den individuellen Verhaltensweisen der Polizist*innen beschäftigen, sondern auch die Frage stellen, warum überhaupt Polizist*innen in die Wohnung von Maria eindringen mussten. Auch bei Mohamed Idrissi, welcher von Polizist*innen am 18. Juni, letzten Jahres in Bremen erschossen wurde, war die bloße Präsenz von den bewaffneten Beamten tödlich. Bullen sind keine Sozialarbeiter*innen, Therapeut*innen oder ähnliches. Sie sollten nicht die ersten und vor allem einzige Kontaktperson sein, wenn Menschen sich in psychischen Krisen befinden.


Doch damit nicht genug. Die Betroffenen werden über Ihren Tod hinaus kriminalisiert und als gefährliche Subjekte dargestellt und oft vollkommen entmenschlicht. So wurde Maria bereits kurz nach ihrem Tod als gestörte Person beschrieben, die dem Bullen keine andere Handlungsmöglichkeit ließ, als zu schießen. Auch Mohamed wurde als gefährlicher Messermann dargestellt. Diese einseitigen Narrative werden von vielen Medien weiter verstärkt – es werden sich widerlichste Schlagzeilen aus den Fingern gesogen und Polizeimeldungen unkritisch wiedergegeben. Der Erzählung einer Polizei, die die Bevölkerung beschützt, möchten wir gemeinsam widersprechen und stattdessen darüber reden, wozu die Exekutive wirklich dient.

Die Polizei übt strukturelle Repression gegen Menschen in gesellschaftlich marginalisierten Positionen aus. So erleben beispielsweise Arme, Schwarze und Menschen in psychischen Krisenzuständen Polizeigewalt als eine ernstzunehmende und gefährliche, aber auch alltägliche Realität wahr. Wie bei Maria und vielen anderen, endet es in manchen Fällen sogar tödlich. Diese Bedrohung wird auch von der Politik und Justiz verstärkt, indem Sie die Macht ihrer Exekutive sogar vergrößert.

Der derzeitige Trend, die Polizei mit mehr Befugnissen auszustatten, lässt sich auch an der Gründung der Brennpunkt- und Präsenzeinheit, kurz BPE, im Januar letzten Jahres in Berlin Beobachten. Diese Polizist*innen sollen an sogenannten Brennpunkten, Präsenz zeigen und offiziell, den armen Bürger*innen eine Gefühl von Sicherheit vermitteln. Doch tatsächlich soll deren bloße Erscheinung ungewünschte Menschen abschrecken und von Orten fernhalten. Wer dann trotzdem kommt, wird kontrolliert, drangsaliert, erniedrigt und mit Repression überzogen. In der Rigaer soll das Leben unserer Genoss*innen schwer gemacht werden, während die Präsenz im Görlitzer Park und dem Kotti, zu noch mehr Racial Profiling führt. Es kommt zur Vertreibung von armen Menschen, Drogenkonsument*innen und Leuten in psychischen Krisen. Dabei nutzen sie auch die Corona Maßnahmen, wie viele ihrer Kolleg*innen als scheinheiliges Instrument, um vor allem schwarze und migrantische Jugendliche zu drangsalieren. Eine Anfrage ans Abgeordnetenhaus Berlin hat ergeben, dass seitdem die Brennpunkt- und Präsenzeinheit aktiv ist, fast doppelt so viele Platzverweise verteilt wurden und die Aufenthaltsverbote um ein vierfaches gestiegen sind. Sogenannte verdachtsunabhängige Kontrollen, werden von der Polizei nicht erfasst, doch zeigen die Erfahrungsberichte der Betroffenen auch da einen klaren Anstieg.

Davon dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen. Die Rote Hilfe Berlin appelliert an alle Genoss*innen sich solidarisch zu vernetzen, auszutauschen und gemeinsam zu handeln. Solche Vorfälle dürfen sich nicht wiederholen, erst recht nicht konsequenzlos. Lasst uns nicht bitten und hoffen, dass der Staat von selbst auf die Idee kommt sich zu bessern. Lasst uns Druck ausüben auf Justiz und Polizei. Lasst uns diese ausgrenzende, gefährliche und im schlimmsten Falle tödliche staatliche Repression gemeinsam bekämpfen.

Jedes Opfer von Polizeigewalt ist ein Opfer zu viel.
In Gedenken an Maria,
Ferhat, Mohamed, Hussam und all die anderen.

Danke

Mehr Infos: https://www.abc-berlin.net/maria