Wir teilen hier eine Stellungnahme von der Soligruppe Plakativ. Das Adbusting, also das überkleben von Werbung, wird als linke Bedrohung dargestellt und so auch verfolgt. Die konstruierte Gefahr ist skandalös. Jedoch leider nicht verwunderlich. Was wollen wir von einem Innenminister erwarten, der trotz aller Beweise und Diskussionen sich weigert das rassistische Potential der Polizei anzuerkennen oder gar zu überprüfen? Oder von einem Staat der bis jetzt die Toten von Hanau nicht als Opfer Rechter Gewalt bewertet. Die Rote Hilfe Berlin zeigt sich solidarisch mit allen Genoss*innen, welche von der Repressionen betroffen sind und laden diese ein unsere Unterstürzung in Anspruch zu nehmen.
Am Donnerstag, den 9.7.2020 wird in der Bundespressekonferenz der neue Verfassungsschutzbericht vorgestellt. Im letzten Jahr machten sich der Geheimdienst und das Innenministerium lächerlich, weil sie Adbusting, also das Überkleben von Werbepostern, als angebliche Gefahr für die Demokratie darstellten. „Das die Geheimdienste und das Innenministerium sich lieber über linke Adbustings ärgern, als sich mit Rassismus in den eigenen Reihen zu beschäftigen, zeigt, wie ungeeignet sie für den Kampf gegen rechte Gewalt sind“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. „Wir dürfen gespannt sein, welchen lächerlichen Unsinn sie sich dieses Jahr ausgedacht haben.“
Vorstellung im zweiten Anlauf
Am Donnerstag versuchen Heimatminister Seehofer und Geheimdienst-Chef Haldenwang erneut, den Verfassungsschutzbericht 2019 der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der erste Versuch war vor zwei Wochen ohne Angabe von Gründen abgesagt worden. Die Presseagentur dpa spekulierte über einen Zusammenhang mit der Ankündigung Seehofers, eine Journalist*in anzuzeigen. Andere Kommentator*innen vermuteten einen Zusammenhang mit den Razzien gegen rechte Terrorgruppen am folgenden Tag.
Inhalt bereits gekannt
Was im Bericht stehen wird ist derweil dank einer Vorankündigung des Innenministeriums weitestgehend bekannt. „Horst und Haldenwang planten, ausführlich gegen Linke zu hetzen und zu behaupten, dass die Gefahr von Links besonders schlimm sei“ erläutert Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. Das zeige die Vorberichterstattung in der Welt und ähnlich seriösen Medien. Auch wenn Horst angesichts der öffentlichen Kritik an seiner auf dem rechten Augen blinden Amtsführung noch schnell ein paar PR-Razzien gegen Rechte durchgezogen habe, dürfe man sich nicht täuschen lassen: „Im letzten VS-Bericht zogen Horst und seine Leute sogar Adbusting, also das Überkleben von Werbepostern, als Beleg für die Gefährlichkeit der linken Szene heran.“
Geheimdienst leugnet Rassismus und Gewalt
An den Adbustings habe die Geheimen vor allem die Thematisierung von institutionellen Rassismus und willkürlicher Gewaltausübung durch Beamt*innen gestört. Dazu Klaus Poster: „Wie viel Horst und seine Leute noch zu lernen haben, zeigen die aktuellen Vorgänge. Anstatt wirklich mal zu untersuchen, wie viele rassistische Übergriffe es durch Beamte gibt, sagt Horst die Studie dazu einfach ab und würde am liebsten mit Anzeigen gegen polizeikritische Journalist*innen vorgehen. Kein Wunder, dass auch Kunst, die Polizeigewalt und Rassismus thematisiert, die stört.“
Mehr zum Vorgehen der Geheimdienste gegen Adbusting: https://taz.de/Kriminalisierung-von-Adbusting/!5664706/
„Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt“
Dies kritisiert u.a. der Staats- und Verfassungsrechtler Prof. Dr. Fischer-Lescano in einem Gutachten: „Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt.“ Vor dem Hintergrund des in aller Regel geringen Sachschadens durch Adbusting entstünde der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert werde, wenn diese sich kritisch mit Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr auseinandersetzten: „Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“ https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Adbustings an der Geheimdienst-Kaserne
Der Verweis auf Adbusting im jährlichen Propaganda-Bericht erwies sich für den Geheimdienst und das Innenministerium als Bumerang. Wiederholt beschäftigten Adbusting-Künstler*innen sich daraufhin mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Zuletzt traf es pünktlich zum ersten Versuch der Präsentation die Dépendance der Geheimen am Treptower Park. Auf Postern der Feuersozietät tauschten die Adbuster*innen die Logos gegen Wappen des sogenannten Verfassungsschutzes und ergänzten es um den Buchstaben M. Nun lautete der Behördenname zutreffenderweise „Verfassungsschmutz.“ Den Slogan änderten die Adbuster*innen von „Wir sind da, wenn es um ihre Vorsorge geht“ in „Wir sind da, wenn es um Überwachung geht.“ Das dort abgebildete Pärchen sagt „Yeah, statt was gegen Rassismus zu tun, überwachen wir Adbusting.“ Diese Collage komplettierten die Künstler*innen mit dem Warnhinweis „Geheimdienste sind nicht reformierbar. Verfassungsschutz abschaffen.“ Mehr Infos und Bilder: https://de.indymedia.org/node/90551
Gefälschte Personalwerbekampage für den VS
Zum Polizeikongress im Februar spendierte eine Kommunikationsguerilla den aus Köln angereisten Spitzeln des Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sogar eine komplette Personalwerbekampagne. Besonders perfide: Diese war im Design an eine echte Kampagne des BfV angelehnt. So fand sich z.B. vor dem Bundestag ein Poster mit folgender Aufschrift: „Willkürliche Gewalt schützen? Bewirb Dich beim Verfassungsschutz: Um Ausbeutung und Ungerechtigkeit zu erhalten, tun wir alles: Spitzeln, Einschüchtern, Hetzen, beim Töten zusehen.“ Weitere Poster warben ähnlich. „Rassismus schützen? Bewirb Dich beim Verfassungsschutz: Unsere Behörde wurde von Alt-Nazis gegründet. Diese autoritäre, rassistische und sexistische Kultur pflegen wir bis heute“ und „Bock auf Männerbund? Bewirb Dich beim Verfassungsschutz: Leute bespitzeln, in Privatem von Anderen nach Belieben rumschnüffeln, staatliche Gewalt legitimieren.“ https://taz.de/Fake-Verfassungsschutz-Plakate-in-Berlin/!5662099
Bundesweite Aktionen
Bundesweit kritsierten Adbuster*innen und Streetart-Künstler*innen den Geheimdienst und das Innenministerium mit weiteren Adbusting-Aktionen. Eine Übersicht mit weiteren Adbusting-Aktionen zum Verfassungsschutz findet sich hier: https://de.indymedia.org/node/94242
„Dank des Aufgreifens von Adbusting im Verfassungsschutzberichts dürfte deutlich geworden sein, was für ein alberner Laden der Geheimdienst ist“ sagt Klaus Poster. „Das Beispiel, das die sich mehr über Adbustings als über Rassismus und Nazis in ihren Reihen ärgern, dürfte allen deutlich machen, wie ungeeignet Geheimdienste für ein Vorgehen gegen Faschismus sind.“
Mehr Infos:
„Völlig unverhältnismäßig“: Gerichtsprozess wegen Adbusting eingestellt: https://taz.de/Ermittlungen-gegen-Adbusting-in-Berlin/!5628984&s=adbusting/
StA Berlin: Adbusting straffrei, wenn man eigene Poster mitbringt: https://de.indymedia.org/node/91134
Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt: https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Mehr zum Vorgehen der Geheimdienste gegen Adbusting:
https://taz.de/Kriminalisierung-von-Adbusting/!5664706/ https://netzpolitik.org/2020/mit-geheimdienst-polizei-und-terrorabwehrzentrum-gegen-ein-paar-veraenderte-plakate/
Kleine Anfrage der Linken im Bundestag zu den Adbustings im VS-Bericht: https://www.bundestag.de/presse/hib/681470-681470 Bundestagsabgeordnete nennt Vorgehen gegen Adbusting lächerlich: https://www.ulla-jelpke.de/2020/02/diskreditierung-kritischer-plakatkunst-durch-geheimdienst-ist-unverhaeltnismaessig/