Fragwürdige Ermittlungsmethoden des LKA

Veröffentlich am 04.02.2014

Das Berliner Landeskriminalamt ermittelt zu Anschlägen gegen Jobcenter und
einem Angriff auf Polizeibeamte am Kottbusser Tor mit rechtlich fragwürdigen
Methoden.

Auf den ersten Blick haben die Ermittlungen wegen Sachbeschädigung vom
3. Mai 2013 (Jobcenter) und versuchter Mord 7. Juni 2013 (Kottbusser Tor)
nichts miteinander zu tun. Das LKA versucht allerdings den Kreis der Verdächtigen
auf das Umfeld und den Bekanntenkreis der Menschen auszuweiten, die bei
diesen Aktionen später im Umfeld der Tatorte festgenommen wurden.

Kontaktschuld
Dabei verfährt der Staatsschutz nach dem Prinzip, dass Personen, die kurz
vor oder Tage nach den Taten mit Verdächtigen telefoniert oder mit diesen
in der Öffentlichkeit gesehen wurden, in die Planung oder Ausführung der
Taten eingebunden sein müssen. Diese Kontaktpersonen wurden durch
Telekommunikationsüberwachung, Observation oder Zufall ermittelt. Dabei
hat das LKA festgestellt, das Personen aus dem Umfeld der am 3. Mai
Festgenommenen, in Verbindung mit Personen der am 7. Juni Festgenommenen
gesetzt werden können. Das ist auch kein Wunder bei der Vielzahl von
TKÜ-Daten und Daten aus polizeilichen Meldesystemen. Zum Beispiel haben
Personen mit einer Beschuldigten telefoniert und wohnen gleichzeitig im
Haus eines Beschuldigten aus dem anderen Verfahren. Oder Personen wurden
in der Vergangenheit mit jemand kontrolliert, der nun Beschuldigter ist.

Aus diesem Grund richteten sich die Durchsuchungen vom 14. August gegen
Beschuldigte aus beiden Verfahren. Die Beurteilung des Landgerichts zu
dieser Art der Kontaktschuld im Zusammenhang mit Beschwerden gegen
Durchsuchungen und DNA Entnahmen ist eindeutig: Als „vage Anhaltspunkte
und bloße Vermutungen“ werden diese Ermittlungsergebnisse durch das
Landgericht Berlin bezeichnet.

Die Ermittlungsbehörden vermischen inzwischen Zeugen und Beschuldigte.
Dossiers über Kontaktpersonen von Beschuldigten tauchen in beiden
Verfahren auf, wobei sie als Zeugen oder Betroffene bezeichnet werden,
aber wie Beschuldigte behandelt werden. Dabei wurden Halstücher mit der
Begründung der Gefahrenabwehr nach ASOG Bln. sichergestellt, weil Zeugen
mit einem Beschuldigten in der Öffentlichkeit angetroffen wurden. Dann
wurden diese Halstücher als Beweismittel beschlagnahmt mit der Absicht
anhaftende DNA einem Spur – Spur Vergleich mit am Tatort der Tat vom 07.06.2013
gefundenen Spuren zu unterziehen. Bei einem Beschuldigten hätte es hier für
einen Gerichtsbeschluss gebraucht, der bei dieser „Beweislage“ kaum zu
beschaffen ist. Für den heimlichen Vergleich eines Beweismittels, dass
einem Zeugen entwendet wurde, glauben Polizei und Staatsanwaltschaft keine
richterliche Anordnung zu benötigen. Bei einem DNA Treffer würden sie dann
eine offizielle DNA Entnahme bei den „Zeugen“ beantragen. .

Gegen einen Teil der Beschlagnahmebeschlüsse wurde Beschwerden eingelegt.
Die Beschwerden wurden vom Landgericht Berlin ohne tiefere Begründung
verworfen, wobei sich das LG nichtmal die Mühe machte, den Anschein einer
rechtlichen Prüfung zu erwecken: Beide Beschlüsse sind fast wortgleich und kurz
gehalten, bei Copy und Paste wurden zwar die Namen der Betroffenen
geändert aber der Rest der Personalien beibehalten. Durch diese Ironie
sind jetzt also die betroffenen Zeugen auch noch Zwillinge, am gleichen
Tag am gleichen Ort geboren und unter der selben Anschrift gemeldet.

Inzwischen wurde gegen diesen Beschluss eine Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Bei dieser Art der Rasterfahndung ist natürlich die Möglichkeit von
Treffern relativ hoch. Wer kennt nicht jemand, der jemand kennt, der mit
jemand Kontakt haben könnte? Um dem Nachzuhelfen, werden auch Aufnahmen
aus sichergestellten Videos öffentlicher und privater Kameras und
verdeckter Observationskameras eigenwillig vermeintlichen Personen zugeordnet.

Mit dieser Umgehung des Richtervorbehalts bei DNA Entnahmen Beschuldigter
werden mehrere Bestimmungen der StPO umgangen, so dass inzwischen eine
Verfassungsbeschwerde hiergegen läuft. Über den Erfolg von DNA Entnahmen
kann die Innenverwaltung keine Angaben machen
(siehe hierzu http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/KlAnfr/ka17-12863.pdf )
und auch in diesem Fall ist zu vermuten, dass hauptsächlich eine
Ausforschung von Personenkreisen legitimiert werden soll. Polizei und
Staatsanwaltschaft versuchen damit durch flächendeckende Funkzellenabfragen,
TKÜ Maßnahmen, Observationen und Auswertung von öffentlicher und privater
Videoüberwachung in Verbindung mit heimlich gesammelten DNA Proben so viele
Personen zu erfassen, dass ständig weitere Ermittlungen begründet werden können.
Ein Beispiel für ähnliches Vorgehen waren die Ermittlungen im Vorfeld des G8 im
Jahr 2007, die um ihrer selbst willen betrieben wurden
(siehe hierzu http://autox.nadir.org/buch/auswertung_11_07.pdf ).

Die Abschreckung, sich mit politischen Protesten zu beschäftigen oder
Kontakt zu bestimmten Personen oder Orten zu haben, ist aus Sicht des
Staatsschutzes erwünscht. Denn wenn dieser Kontakt zu Hausdurchsuchungen
und DNA Entnahmen führen kann, werden Viele ihn vermeiden.

Weitere Hinergrundinfos gibts hier:
http://ea-berlin.net/neues-vom-kotti-verfahren#content ,
hier: http://ea-berlin.net/landgericht-berlin-durchsuchungen-und-dna-entnahmen-am-14-august-rechtswidrig#content
und hier: http://ea-berlin.net/repressionsmethoden-im-jahr-2013-am-beispiel-aktueller-faelle#content